Eine Gürtelrose ist für ältere Patienten riskant: Viele von ihnen müssen mit einer postherpetischen Neuralgie rechnen. Jetzt empfiehlt die STIKO eine Impfung gegen Herpes Zoster für Personen ab 60 Jahren. Im März wird entschieden, ob die Impfung zur Kassenleistung wird.
Die ständige Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts hat sich für die Impfung gesunder Personen ab 60 Jahren mit einem Totimpfstoff gegen Herpes Zoster ausgesprochen. Die Empfehlung gilt auch für immunsupprimierte Patienten und Menschen mit schweren Grunderkrankungen wie HIV oder rheumatoider Arthritis. Diese Risikogruppen können sich schon ab 50 Jahren impfen lassen.
Bis Mitte März wird der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) darüber entscheiden, ob die Impfung in den gesetzlichen Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen wird. Martin Figur, Facharzt für Allgemeinmedizin in Frellstedt, weist jedoch darauf hin, dass auch jetzt schon viele Krankenkassen die Kosten übernehmen, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird.
In den USA gab es gegen Herpes Zoster schon länger eine Impf-Empfehlung für den älteren Impfstoff Zostavax®, einen attenuierten Lebendimpfstoff. Die Empfehlung wurde Anfang 2018 auf den neuen Impfstoff Shingrix® geändert, der dort seit Oktober 2017 auf dem Markt ist. Shingrix® wurde in Deutschland im März 2018 zugelassen. Es handelt sich um einen Totimpfstoff, der aus einem rekombinanten Oberflächenantigen des Virus, einer Untereinheit des Glykoprotein E, in Kombination mit einem Adjuvans besteht.
Dieser Impfstoff wurde nun von der STIKO empfohlen. In zwei klinischen Studien der Phase III mit etwa 30.000 Probanden aus 18 Ländern wurden überzeugende Ergebnisse erzielt. Die Hälfte der Teilnehmer erhielt zwei Impfstoffdosen im Abstand von zwei Monaten, während die andere Hälfte mit Kochsalzlösung „geimpft“ wurde. Durch Shingrix® wurde ein altersunabhängiger Impfschutz bei über 90 Prozent der Geimpften erreicht, auch bei betagten Menschen über 80 Jahren. Sie zeigten sowohl eine humorale als auch zelluläre Immunantwort. Der Schutz blieb über drei Jahre hinweg mit über 75 Prozent der Studienteilnehmer hoch.
Zostavax® schneidet im Vergleich wesentlich schlechter ab: Relativ häufig und besonders bei älteren Menschen ruft er keine ausreichende Immunantwort hervor, der Impfstoff ist nicht für Risikogruppen geeignet und es wird kein dauerhafter Schutz erzielt. Daher kam die STIKO zu keiner Empfehlung.
Shingrix® soll zweimal im Abstand von zwei Monaten verabreicht werden, damit ein sicherer Impfschutz erreicht wird. Eine Grippeimpfung kann gleichzeitig erfolgen. Nebenwirkungen kamen in klinischen Studien etwa doppelt so häufig vor wie in Kontrollgruppen, waren aber nicht schwerwiegend und sollten Patienten nicht von der zweiten Impfung abhalten. Am häufigsten kam es zu Schmerzen oder Juckreiz an der Injektionsstelle, Myalgie, Müdigkeit, gastrointestinalen Beschwerden, Schüttelfrost, Fieber und Kopfschmerzen, die durchschnittlich zwei bis drei Tage anhielten. Wenn die Nebenwirkungen als schwer beschrieben wurden, klangen sie in der Regel nach ein bis zwei Tagen ab. Seltener wurden Arthralgien oder Lymphadenopathien beobachtet. In den USA wird seit der Zulassung im Oktober 2017 eine Sicherheitsüberwachung für Shingrix durchgeführt. Die Ergebnisse wurden Anfang Februar bekanntgegeben: Bis Juni 2018 wurden weiterhin nur selten schwere Nebenwirkungen beobachtet und keine unerwarteten Reaktionen beschrieben. Insgesamt stimmten die Daten mit denen der klinischen Vorstudien überein.
Prof. Stefan W. Schneider vom Universitätsklinikum in Hamburg sagt: „Wenn man sich die Daten anschaut, dann ist die Effektivität so hoch bei einer so geringen Nebenwirkungsquote, wie man es selten bei einer Medikamentenzulassung hat.“ Er rät besonders älteren Menschen und Patienten mit hohem Risiko zu der Impfung. Auch Patienten, die bereits eine Gürtelrose hatten, können sich seiner Meinung nach zwei bis drei Jahre später impfen lassen.
Ob bei immunsupprimierten Menschen ein ausreichender Impfschutz erreicht wird, wird derzeit noch untersucht. Von Personen, die eine Transplantation blutbildender Stammzellen erhalten hatten und von HIV-Infizierten wurde der Impfstoff gut vertragen.
Gürtelrose ist normalerweise nicht lebensbedrohlich, aber sie kann Komplikationen verursachen, die zum Teil nicht rückgängig zu machen sind. Gefürchtet sind vor allem neurologische Probleme, Erblindung und Hörverlust. Fast jeder, der vor 1980 geboren ist, hat Antikörper gegen das Varizella Zoster Virus (humanes Herpesvirus 3). Bei der Erstinfektion führen die Viren zu Windpocken. Trotz Antikörperbildung persistieren sie nach überstandener Krankheit in den sensiblen Spinalganglien oder Hirnnerven. Durch eine endogene Reaktivierung kommt es nach Jahren oder Jahrzehnten zum Ausbruch von Herpes Zoster. Die Rezidive treten zumeist entlang den Austrittsstellen eines Nervs in der Haut auf: bei Befall von Interkostalnerven als Gürtelrose, bei Trigeminusbefall im Gesicht.
Herpes Zoster an der Brust. ©Fisle, Wikimedia commonsDies kann in jedem Lebensalter vorkommen, in zwei Drittel aller Fälle sind aber Menschen über 50 Jahre betroffen. Etwa die Hälfte aller 85-Jährigen hat einen Herpes Zoster durchgemacht. Die Ursache für die Häufung im Alter ist eine abnehmende zelluläre Immunität. Weitere Risikogruppen sind Patienten mit angeborenen oder erworbenen Immunschwächen (HIV) sowie arzneimittelbedingter Immunsuppression, zum Beispiel durch Kortikosteroide, im Rahmen einer Chemotherapie, nach Organtransplantation oder bei Autoimmunerkrankungen. Auch bei Menschen, die Statine zur Senkung des Cholesterolwertes einnehmen, wurde ein vermehrtes Auftreten von Herpes Zoster beobachtet. Es wird angenommen, dass Statine die T-Zell Aktivierung verändern und die zelluläre Immunantwort beeinflussen.
Bei der Reaktivierung des Virus werden größere Teile der Ganglie zerstört, was den akuten Zosterschmerz bewirkt. Die Entzündung im Nervengewebe kann lange andauern und bleibende Schäden hinterlassen, wenn durch den Verlust von Gliazellen eine Blockierung der Informationsübertragung am sensiblen Ganglion erfolgt, was zur postherpetischen Neuralgie (PHN) führt. Sie tritt bei 15–30 Prozent aller Erkrankten auf, wobei die Häufigkeit mit dem Alter deutlich steigt: Bei über 70-Jährigen muss in 50–70 Prozent der Fälle mit der Entwicklung einer PHN gerechnet werden, die jahre- oder lebenslang bestehen bleiben kann. Das Vermeiden dieser Komplikation durch die Impfung ist von großer Bedeutung, weil eine PHN die Lebensqualität der Betroffenen in allen Bereichen extrem beeinträchtigen kann: sozial, funktional, psychologisch und physisch.
Die Patienten beschreiben einen quälenden anfallartigen oder brennenden Dauerschmerz und häufig schmerzhafte Missempfindungen bei Reizen, die normalerweise nicht schmerzhaft sind. Besonders der Schlaf ist beeinträchtigt. Figur sagt: „Die PHN ist sicherlich die gravierendste Komplikation einer Varizellen-Infektion und lässt sich sehr schlecht behandeln. Die Patienten benötigen oft für eine sehr lange Zeit hohe Dosen an morphinhaltigen Schmerzmitteln, um eine Linderung zu erfahren. Für die Betroffenen bedeutet eine PHN einen harten Einschnitt in den Alltag. Aber auch ein ,normaler‘ Zoster im Gesicht, am Ohr oder Auge kann bleibende Schäden verursachen.“ Solche Spätfolgen können durch eine Impfung weitgehend vermieden werden.
Eine Nationale Versorgungsleitlinie zur Behandlung von Herpes Zoster existiert derzeit nicht. Sie ist angemeldet und soll bis Ende März 2019 fertig gestellt werden. 2016 wurde eine Europäische Leitlinie veröffentlicht, darin wird eine antivirale Therapie für Menschen über 50 Jahre, bei Befall von Kopf, Hals oder mehreren Segmenten, Beteiligung von Schleimhäuten, hämorrhagischen oder nekrotisierenden Läsionen oder starken Schmerzen und bei bestimmten Patientengruppen empfohlen. Häufig wird ein Beginn der antiviralen Behandlung bis spätestens 72 Stunden nach Einsetzen der Hautsymptome empfohlen. Die europäische Leitlinie kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass dafür aufgrund von fehlenden Studien keine Evidenz vorliegt und spricht sich dafür aus, bei Bedarf auch später noch damit zu beginnen. Zusätzlich wird je nach Symptomatik antiphlogistisch, analgetisch oder auch antiseptisch behandelt.
Figur hält die Impfung für sinnvoll und weist seine älteren Patienten auch aktiv darauf hin. Insgesamt hält er aber eine konsequente Impfung von Kindern gegen Varizellen für die beste Option.
Zorzoli et al. nehmen ebenfalls an, dass eine weltweite Impfung von Erwachsenen gegen Herpes Zoster zu einer drastischen Verringerung der Häufigkeit von PHN führen wird, und dass zukünftige Generationen durch die Kombination mit der Varizellenimpfung im Kindesalter gegenüber PHN weitgehend immun sein könnten.
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