Sollten unheilbar kranke Patienten Medikamente zur Selbsttötung erhalten? Die FDP fordert in dieser Frage rechtliche Klarheit. Der Antrag wird scharf kritisiert: Die BÄK ist gegen die Verabreichung todbringender Arzneien. Morgen wird in einer Anhörung im Gesundheitsausschuss diskutiert.
Erhalten Patienten künftig Betäubungsmittel (BtM) zur Selbsttötung, falls sie an einer unheilbaren Erkrankung leiden und sich in einer extremen Notlage befinden? Das fordern Liberale in einem Antrag. Am kommenden Mittwoch steht dieses komplexes Thema auf der Agenda des Gesundheitsausschusses im Bundestag. Widersprüche zum § 217 des Strafgesetzbuchs („Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“) seien aufzulösen, schreiben die Liberalen Gleichzeitig regen sie ein „Bescheidungsverfahren“ an, um Anträge auf BtM rasch zu bearbeiten. Sie berufen sich in ihrer Argumentation auf das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Az.: 3 C 19.15).
Zum Hintergrund: Vor rund zwei Jahren hatten Richter entschieden, dass ein Zugang zu BtM für schmerzlose Selbsttötungen „in extremen Ausnahmesituationen” nicht verwehrt werden darf. Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse auch das Recht eines schwer und unheilbar kranken Patienten, zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt er sein Leben beenden wolle. Vorausgesetzt werde eine Entscheidung aus freiem Willen. Um von einer extreme Notlage zu sprechen, müssen mehrere Kriterien erfüllt werden:
Treffen die Kriterien zu, ist ein Antrag beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu stellen. Genau hier liegt das Problem.
Innerhalb von rund zwölf Monaten gingen 104 Anträge beim BfArM ein. Doch keine Eingabe wurde bewilligt. Das Bundesministerium für Gesundheit, in dessen Geschäftsbereich BfArM-Mitarbeiter tätig sind, weigerte sich. „Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, Selbsttötungshandlungen durch die behördliche, verwaltungsaktmäßige Erteilung von Erlaubnissen zum Erwerb des konkreten Suizidmittels aktiv zu unterstützen“, schreibt laut Spiegel ein Staatssekretär von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Viele Antragsteller sind mittlerweile verstorben, die Sache gewinnt an Brisanz. Zum Hearing im Gesundheitsausschuss wurden mehrere Verbände, aber auch Einzelgutachter geladen. Die wichtigsten Meinungen:
In einer Stellungnahme schreibt die Bundesärztekammer, sie lehne den FDP-Antrag ab. „Ärzte leisten Hilfe beim Sterben, aber nicht zum Sterben“, heißt es im Dokument. „Es darf keine Option ärztlichen Handelns sein, in schwierigen und hoffnungslosen Situationen einem Patienten eine aktive Tötung zu empfehlen oder daran mitzuwirken.“ Das genannte Bescheidungsverfahren sei „nicht sachgerecht für extreme menschliche Notlagen“, sondern es konterkariere palliativmedizinische Ansätze.
Mit ähnlich kritischen Tönen meldet sich die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) zu Wort. Sie ist ebenfalls gegen eine Bereitstellung von Betäubungsmitteln zum Zwecke des Suizids. Zur Begründung schreiben DGP-Experten, es gebe über die Hospiz- und Palliativversorgung fast immer Möglichkeiten, Leid zu lindern. Außerdem sehen sie die Gefahr, dass eine staatliche Pflicht zur Assistenz bei Suizid entstehe. Unklar sei nämlich, wie man „Ausnahmesituationen“ definiere.
Gesundheitspolitiker holen sich am 20. Februar auch juristische Expertise ins Haus. Unter anderem wurde Prof. Dr. Reinhard Merkel von der Uni Hamburg geladen. Er sieht per se keinen Widerspruch zwischen den Maximen des ärztlichen Handelns und der Selbsttötung per BtM. Schließlich seien auch Schwangerschaftsabbrüche inklusive der benötigten Medikamente in ärztlicher Hand.
Wie ist Ihre Meinung: Sollten BtM in Ausnahmefällen zur Sterbehilfe eingesetzt werden dürfen oder reichen die bestehenden palliativmedizinischen Möglichkeiten aus? Wie bewerten Sie das „Bescheidungsverfahren“ zur Genehmigung von Anträgen?Bildquelle: Davide Baraldi, pexels