Eine Schulleiterin wollte die Fitness ihrer Schüler testen. Schon nach dem Aufwärmen waren sie völlig erschöpft. Die Lehrerin erfand „The Daily Mile“: Jeden Tag 15 Minuten Laufen sollte die Klasse fit machen. Das Programm wurde in einer Studie untersucht, die kürzlich veröffentlicht wurde.
Ein Schulprogramm, das Schüler fitter machen soll, erobert die Schulen in Großbritannien und vielen anderen Ländern weltweit. Bisher beruht der Erfolg der „Daily Mile“ auf dem positiven Feedback der Teilnehmer, deren Eltern und Lehrern. Jetzt wurde eine Studie veröffentlicht, in der das Programm und dessen gesundheitliche Vorteile genauer untersucht wurden.
„Die Kinder sind nicht fit“ – das sagte ein Kollege zu Elaine Wyllie. Die damalige Schulleiterin der St. Ninians primary school in Stirling wollte testen, ob das stimmt und ging mit ihrer Klasse nach draußen. Dort ließ sie ihre Schüler eine Runde auf dem Sportplatz laufen, aber das schafften die meisten von ihnen nicht. Die Kinder seien heutzutage schon nach dem Aufwärmen erschöpft, bestätigte ihr ein Sportlehrer der Schule. Deshalb entschied sich Wyllie im Februar 2012 gemeinsam mit ihren Schülern dazu, ab sofort täglich 15 Minuten draußen zu laufen, um zu sehen, ob sich auf diese Weise die eigene Kondition verbessern lässt. Einen Monat später konnte fast die ganze Klasse 15 Minuten am Stück laufen, ohne eine Pause zu machen. Binnen weniger Monate schlossen sich auch alle anderen Schulklassen an und The Daily Mile wurde zu einem Schulprojekt, das mittlerweile von der schottischen Regierung unterstützt und von 3.600 Grundschulen in 35 verschiedenen Ländern praktiziert wird.
Das Ziel des Programms: Jeden Tag während der Unterrichtszeit können Schüler draußen joggen oder spazieren und zwar einmal täglich 15 Minuten am Stück (das entspricht in etwa der gelaufenen Strecke einer englischen Meile). Die Geschwindigkeit wählen die Kinder selbst. Das Programm bringt laut gesammelter Berichte von Teilnehmern, deren Eltern und Lehrern eine Vielzahl an physiologischen Vorteilen: Es soll die körperliche Aktivität steigern, das Sitzen reduzieren, die Ausdauer und die Körperzusammensetzung verbessern. Eine kürzlich veröffentlichte Studie soll die bislang nur auf Berichten basierenden Kenntnisse durch Zahlen ergänzen. Untersucht wurden 391 Kinder an zwei schottischen Grundschulen: Eine, die plante, die Daily Mile demnächst einzuführen (die Interventionsgruppe) und eine Schule, die nicht vorhatte, das Programm umzusetzen (die Kontrollgruppe). Einbezogen wurden die Klassen 1-7, das sind 4- bis 12-jährige Schüler.
Die Studienautoren wollten herausfinden, ob die von Befürwortern angegebenen positiven Auswirkungen tatsächlich durch Messungen nachweisbar sind. Sie untersuchten deshalb, ob die Einführung des Daily-Mile-Programms an Grundschulen bei den Kindern dazu führen kann, dass sich:
Doch wie misst man, ob bzw. inwiefern sich die Fitness durch 15 Minuten Laufen pro Tag verbessert? Die MVPA sowie die durchschnittliche tägliche Sitzzeit wurde anhand von Aktigraphen gemessen: Schüler trugen sie acht Tage durchgehend in den wachen Stunden an einem Gürtel um den Bauch geschnallt. Um eine mögliche Entwicklung der Kondition zu dokumentieren, wurden 20-m-Shuttle-Run-Tests durchgeführt. Die Körperzusammensetzung wurde durch die Summe der angewandten 4-Site-Skin-Fold-Tests erfasst. Außerdem wurden Größe und Gewicht gemessen, um für jeden Schüler den BMI ermitteln zu können. Es wurde zwei Mal innerhalb eines Schuljahrs gemessen, diese zwei Messwerte wurden miteinander verglichen, um eine mögliche Entwicklung der Schüler zu erkennen. Die Zeitspanne dazwischen betrug laut Guardian 7 Monate. Das Alter und das Geschlecht wurden statistisch korrigiert. Danach ermittelten die Forscher folgende durschnittliche Werte für die Schüler der beiden Gruppen zu Beginn der Studie:
Die Werte der zweiten Messung wurden mit der ersten verglichen. Für alle vier untersuchten Bereiche MVPA, Sitzzeit, Kondition und Körperzusammensetzung konnten die Studienautoren deutliche Verbesserungen bei der Interventionsgruppe verglichen mit der Kontrollgruppe beobachten: Die Zeit, in der die Schüler intensiv körperlich aktiv waren konnte in der Interventionsgruppe durschnittlich um 9,1 Minuten gesteigert werden. Die tägliche Sitzzeit verringerte sich um 18 Minuten. Bei dem Shuttle-Run-Test konnten Kinder der Interventonsgruppe durchschnittlich 39,1 Meter weiter laufen. Der Skinfolds-Wert konnte um -1.4 (−2.0 to −0.8) mm reduziert werden. Seit den 90er Jahren hat sich die Zahl der übergewichtigen Kinder hierzulande verdoppelt, heißt es im Spiegel. In Deutschland sind laut RKI 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig, davon erreichen 6 Prozent einen Adipositas-Status. Angesichts dieser Zahlen könnten deutsche Schulen und vor allem die deutsche Gesundheitspolitik schon langsam darüber nachdenken, mehr Bewegung in den Unterricht an Grundschulen und Schulen im Allgemeinen zu bringen.