Die Kundin steht gekrümmt vor dem HV-Tisch, Fieber und Rückenschmerzen quälen sie. Sie wundert sich, warum die Grippe trotz Impfung so schwer verläuft. Doch als die Frau vom Frühjahrsputz im Gartenhaus erzählt, wird die Apothekerin hellhörig.
Eine etwa 50-jährige Kundin steht schmerzverkrümmt vor dem HV-Tisch. Sie hat Fieber mit starken Kopf- und Rückenschmerzen. Seit gestern fühle sie sich nicht mehr gut, erzählt sie der Apothekerin, auch sei ihr häufig schwindelig und sie habe Ohrensausen. Die Kundin wundert sich über die Heftigkeit der vermeintlichen Grippeerkrankung, denn sie habe sich doch extra impfen lassen. Aber als sie erzählt, dass sie froh ist, den diesjährigen Frühjahrsputz ihres Gartenhäuschens am Weinheimer Wingert bereits hinter sich zu haben, wird die Apothekerin aufmerksam. Hat die Kundin vielleicht ein größeres gesundheitliches Problem als sie denkt?
Risikogebiet wächst jedes Jahr
Das Hantavirus breitet sich aus: Jedes Jahr kommen neue Regionen zum Risikogebiet hinzu. Bislang sind die folgenden Landstriche von dem Virus betroffen: die Schwäbische Alb, der Teutoburger Wald, der Bayerische Wald, Nordost-Hessen, der Spessart und das Münsterland. Doch auch im Neckar-Odenwald-Kreis werden immer mehr Fälle gemeldet – die Dunkelziffer ist vermutlich ebenfalls hoch. Das Virus verursacht beim Menschen hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom (HFRS). In Deutschland führt diese Erkrankung selten zum Tod. Hier herrscht vor allem der Puumala-Typ vor, der weniger schwerwiegende gesundheitliche Auswirkungen hat als die Virustypen aus Asien oder Amerika. Aber auch hierzulande tritt der Dobrava-Belgrad-Virus auf, wenn auch selten, der eine Letalität von bis zu zwölf Prozent aufweist.
Kleine Nager übertragen Viren
Überträger dieser Zoonose sind in Deutschland die Rötelmaus, die Brandmaus und die Gelbhalsmaus. Sie erkranken selbst nicht an dem Virus, verbreiten es aber durch ihren Speichel, Urin und Kot. Die Nagerarten fühlen sich in Wäldern mit hohem Buchenbestand sehr wohl, daher ist die Gefahr einer Übertragung dort besonders hoch. Die Zahl der Ansteckungen variiert in jedem Jahr sehr stark. Wenn in einer Saison viele Bucheckern als Nahrung und Winterreserve für die Nager vorhanden sind und das folgende Frühjahr dazu noch mild ausfällt, explodiert die Zahl der übertragenden Mäuse. 2017 war ein solches Nagerjahr, was zu 1.700 gemeldeten Fällen von Infektionen beim Robert-Koch-Institut (RKI) führte. Da nur jede zehnte bis zwanzigste Ansteckung Erkrankungssymptome verursacht, wird angenommen, dass die Dunkelziffer sehr hoch ist.
Merkblatt zu Krankheitsverlauf und Prävention
Die Erkrankung beginnt eher unspezifisch mit Fieber, Kopf-, Glieder-, oder Rückenschmerzen und einem Blutdruckabfall. Es können Sehstörungen sowie Blutungen im Darm auftreten. Häufig werden die Nieren in Mitleidenschaft gezogen, was sich in einer Proteinurie und dem Anstieg des Serum-Kreatininspiegels äußert.
Ebola-, Dengue-, und Gelbfieberviren sind bekanntere Auslöser für hämorrhagisches Fieber als das Hantavirus. Trotzdem ist die Erkrankung meldepflichtig. Einen Impfstoff oder eine virusspezifische Therapie gibt es noch nicht. Daher sollte die Infektionsprävention im Vordergrund stehen. Das RKI hat hierzu sein Merkblatt aktualisiert.
Patienten bei Verdacht im Auge behalten
Um auf den eingangs geschilderten Fall in der Apotheke zurückzukommen: Die Apothekerin hat den Verdacht, dass es sich bei der Grippeerkrankung ihrer Kundin um einen Fall von HFRS, ausgelöst durch das Hantavirus, handeln könnte. Sie weiß, dass die Inkubationszeit von wenigen Tagen bis zu zwei Monaten reichen kann und der Höhepunkt etwa zwei bis drei Wochen nach dem Virenkontakt liegt. Die Kundin bestätigt, dass sie vor etwa drei Wochen ohne Mundschutz oder andere Vorsichtsmaßnahmen das Gartenhäuschen am Waldrand mit dem Besen kräftig durchgekehrt hat. Dass Mäuse sich ihr Winterquartier dort eingerichtet hatten, kann sie nicht ausschließen. Die Übertragen des Virus findet hauptsächlich über eine respiratorische Aufnahme von Aerosolen statt, in die das Virus eingebunden ist. Die Apothekerin schickt ihre Kundin daher zu ihrem Hausarzt weiter und vermerkt ihren Verdacht auf einem Zettel, den sie ihr mitgibt. Der Arzt wird nun einen serologischen Nachweis veranlassen und die Nieren der Patientin besonders gut im Auge behalten
Beitrag von Eva Bahn
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