Ich ärgere mich. Schon wieder hat ein Patient seinen Termin ausfallen lassen, ohne anzurufen. Ohne Erklärung. Es ist der zehnte diese Woche. Und da klagen wir tatsächlich über die Wartezeiten auf Arzttermine? Ein Gastbeitrag von Dr. Dirk Heinrich.
Es ist so irrwitzig, dass es fast schon wieder komisch ist. Auf der einen Seite beschwert sich halb Deutschland über angeblich zu lange Wartezeiten auf Termine bei Haus- und Fachärzten. Seit 2016 können Patienten, die dringend einen Termin bei einem Facharzt benötigen, sich an die Terminservicestelle wenden.
Auf der anderen Seite gib es immer mehr Patienten, die genau solche „dringenden“ Termine einfach verfallen lassen. Die KV Mecklenburg-Vorpommern hat errechnet, dass jeder fünfte Termin über die Terminservicestelle platzt. Bei der Bundeshauptversammlung des NAV-Virchow-Bundes im November berichteten die meisten Kolleginnen und Kollegen von noch viel höheren Zahlen. Im Schnitt waren es 30 Prozent. Fast jeder dritte Termin also, und das bei angeblich dringenden Fällen!
Natürlich verstehe ich, dass dem einen oder anderen mal etwas dazwischen kommt. Dass man im Stau feststeckt, das Auto streikt, die Kinder überraschend aus dem Kindergarten abgeholt werden müssen, oder man sich eine Grippe eingefangen hat. Es gibt nachvollziehbare Gründe, warum man den eigentlich dringenden Arzttermin nicht wahrnehmen kann. In den meisten Fällen könnte man aber zumindest zum Telefon greifen und den Termin wieder absagen, damit er erneut vergeben werden kann.
In meiner Praxis passiert das aber so gut wie nie. Die Patienten tauchen einfach nicht auf. Ich beobachte in meinem Berufsalltag eine immer größer werdende Anspruchshaltung („Ich habe einbezahlt, jetzt ist ALLES frei!“), gleichzeitig immer weniger Rücksichtnahme und eine sinkende Bereitschaft, sich wie auch immer festzulegen. Und sei es nur, sich an einen Termin zu halten.
Als grundversorgender Facharzt in einem Stadtteil mit Ärztemangel macht mich das wütend. Es kann nicht sein, dass die einen Termine verfallen lassen und die anderen dafür länger warten müssen! Auch Patienten haben eine Verantwortung. Als Gesellschaft und Solidargemeinschaft müssen wir diese Verantwortung wieder deutlich machen und Konsequenzen ziehen:
Wer sich über die Vermittlungsstellen der KVen einen Termin besorgt und ihn dann ohne rechtzeitige Absage nicht wahrnimmt, der sollte für 4 Wochen keine Termine mehr über die Terminservicestelle bekommen. Der NAV-Virchow-Bund als Verband der niedergelassenen Ärzte will diese Sperre im SGB V verankern.
Dazu will ich zwei Dinge klarstellen:
Wenn der Patient sich am Tag nach dem verpassten Termin in meine offene Sprechstunde bemüht, darf er dort selbstverständlich wie alle anderen im Wartezimmer Platz nehmen. Und falls ein akuter Notfall eintritt, bekommt er natürlich die schnellstmögliche Hilfe. Das ist gar keine Frage.
Unser Gesundheitswesen ist ein Solidarsystem. Es herrscht ein gesetzliches Wirtschaftlichkeitsgebot. Das gilt für Ärzte (Stichwort: WANZ) – aber eben auch für Patienten! Unter Gesundheitsministerin Ulla Schmidt erhielten Patienten neben ihren Rechten auch Mitwirkungspflichten. Und die bedeuten, dass auch Patienten die begrenzten Ressourcen im System nicht nach Lust und Laune, sondern zweckmäßig und angemessen nutzen. Alles andere wäre – nein: ist – höchst unsolidarisch!
Wer einen Termin der Terminservicestelle schwänzt:
Die Terminservicestellen sollen in Zukunft noch mehr Termine vermitteln. Darum müssen wir sicherstellen, dass dieser Aufwand nicht ins Leere läuft. Patientensteuerung bedeutet auch, wieder stärker auf Verbindlichkeit und Mitverantwortlichkeit zu setzen. Eine Terminsperre für Blockierer finde ich nur fair.
Gastautor Dr. Dirk Heinrich ist seit über 20 Jahren als HNO-Arzt in Hamburg-Horn niedergelassen. Als Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes kämpft er dafür, die Budgetierung zu beenden, die ärztliche Selbstverwaltung zu stärken und die Freiberuflichkeit zu erhalten. Erfahren Sie hier, was berufspolitische Arbeit für Praxis-Ärzte verändert und warum es sich für Sie lohnt.
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