Nachdem nun die Anzahl der Flüchtlinge sowie der Aus- und Einwanderer gestiegen war, schaffte das Krankenhaus einen komplizierten Anamnesebogen in diversen Sprachen an. Dieser verwirrte alle nur noch mehr. Also malte ich selbst ein paar alltagstaugliche Symbolbilder.
Den Anamnesebogen gab es in Sprachen, von denen ich noch nie gehört hatte. Er war sehr ausführlich, komplex und in schlechter Qualität kopiert. Diese Kombination verwirrte die potenziellen Patienten. Die meisten füllten ihn deswegen nicht aus. Andere taten das tugendhaft und machten neben ihren Kreuzchen ausführliche Anmerkungen. Die konnten wir nicht lesen, weil wir alle kein Tigrinya verstanden.
So stand ich also plötzlich mit viel zu vielen Menschen im Aufnahmeraum. Mit der Patientin. Ihrem Mann. Jemand, dem ich auf Englisch meine Frage stellte und der alles ins Arabische übersetzte. Eine zweite Person, die keine mir bekannte Sprache sprach, aber dafür Arabisch und Tigrinya. Diese übersetzte im Anschluss. Hieraufhin gab die Patientin die gewünschte Information preis oder auch etwas anderes, woraufhin die Übersetzungskette zurück zu mir lief.
Besonders gut war es immer, im Raum voller männlicher Übersetzter die anwesende vollverschleierte Frau zu fragen, ob sie denn Schmerzen beim Wasserlassen hätte oder wann eigentlich der letzte Stuhlgang gewesen sei.
Andere Variationen dieses Szenarios beinhalteten Telefonkonferenzen mit dem Smartphone (ein Hoch auf die neueste Telefontechnologie!) oder die Anamnese über Google Translate und mein privates Datenkontingent. Vorausgesetzt der Patient konnte lesen.
Ambitioniert bildete ich mein medizinisches Englisch weiter, um präzisere Fragen stellen zu können. Damit war ich die Person, die am besten Englisch im Raum konnte. Was nicht weiterhalf, da die wenigsten den korrekten englischen Terminus für Stuhlgang verstanden und man mit dem, äh, internationalen Wort für Stuhlgang am weitesten kam: „Kaka“.
Das Krankenhaus versuchte daher nach dem Misserfolg mit den strangen Anamnesebogen etwas Neues und besorgte das Super-Ikonenbuch, in dem es Bildchen für alle möglichen Situationen gab: diverse Sexstellungen, verschiedene Grade an Verschleierung oder eine Situation, in der man gleichzeitig von einem Skorpion und einer Schlange angegriffen wird.
Leider war der medizinische Teil sehr kurz und es fehlte die Option des Pinkelns, sodass ich regelmäßig pinkelnde Männchen zeichnete, um den Patienten klarzumachen: Bitte in diesen Becher hier Urin abgeben. Nein, kein Kaka!
Deswegen machte der Zorg mir dann extra eigenen Bilder für die wichtigsten Fragen. Hier laden der Zorg und ich sie hoch als verspätetes Weihnachtsgeschenk für alle Leute, die kein Tigrinya können.
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