Schon seit Jahren wird über kontaminierte Stethoskope lamentiert, getan hat sich offenbar nicht viel. Das Ergebnis einer aktuellen Studie: Zahlreiche Bakterien besiedeln die Instrumente, darunter nosokomiale Erreger – häufig sogar nach der Reinigung. Was machen Ärzte falsch?
Das Stethoskop als Statussymbol – oder Keimschleuder? Wie sehr Ärzte an ihrem Lieblingsinstrument hängen, darüber hat DocCheck bereits berichtet. Auch das Thema Desinfektion wurde dort angesprochen. Tatsächlich soll es immer noch Ärzte geben, die ihr Stethoskop nie reinigen. Fakt ist, dass verunreinigte Stethoskope die Gesundheit von Patienten gefährden. Wie es um die Keimbelastung auf Stethoskopen bestellt ist, wurde kürzlich erneut auf einer Intensivstation in der Uniklinik in Pennsylvania untersucht.
Dort wurden bakterielle Mikrobiome auf den Instrumenten erstmals per Next-Generation-Sequenzierung analysiert. Im Gegensatz zu kulturellen Nachweisverfahren lassen sich damit genauere Rückschlüsse auf die Bakterienvielfalt und -menge ziehen. Es zeigte sich, dass Stethoskope in der Obhut von Ärzten und Pflegepersonal, die für verschiedene Patienten verwendet wurden, am stärksten kontaminiert waren. Aber auch die in den Patientenräumen benutzten Einwegstethoskope waren mit Bakterien besiedelt (beide p < 0,001). Stethoskope für den Einmalgebrauch, deren sterile Verpackung gerade geöffnet wurden, dienten zum Vergleich, sie konnten nicht von Hintergrundkontrollen (sterile Kochsalzlösung) unterschieden werden (p = 0,97).
Die Stethoskop-Desinfektion wird offenbar immer noch weitgehend übersehen und mag unpraktisch sein, aber insbesondere bei Akutbehandlungen trägt sie zur Patientensicherheit bei. Besonders für Menschen mit größeren offenen Wunden, Verbrennungen oder immunsupprimierte Patienten stellen verunreinigte Stethoskope eine unnötige potentielle Gefährdung dar.
Dass das Thema nicht ausreichend ernst genommen oder ignoriert wird, zeigt sich vielleicht auch daran, dass die Hygienebeauftragten zweier großer Krankenhaus-Konzerne sich nicht bemüßigt fühlten, auf Anfragen zu einem Interview (wenigstens mit einer Absage) zu reagieren.
Die Wisenschaftler aus Pennsylvania betrachtete in ihrer Studie die An- oder Abwesenheit einzelner Arten und Gattungen. Dabei war deutlich zu erkennen, dass der Unterschied zwischen Stethoskopen von Ärzten, Pflegepersonal und Patientenzimmern gering war (p = 0,106), sie sich aber klar von den unbenutzten Instrumenten und den Hintergrundkontrollen unterschieden (p < 0,001). Im Gegensatz zu unbenutzten Stethoskopen waren auf denen von Ärzten, Pflegern und aus Patientenräumen typischerweise Bakterien der Gattungen Porphyromonas, Bacteroides, Granulicatella, Actinomyces, Prevotella, Streptococcus, Staphylococcus, Corynebacterium und Propionibacterium zu finden – Bakterien aus der Flora von Mund, Haut und Darm.
Auf der Suche nach typischen Krankenhauskeimen auf den Stethoskopen von Ärzten und Pflegepersonal wurden die Forscher fündig: Auf allen Stethoskopen waren Bakterien der Gattung Staphylococcus zu finden, sie traten mit einer relativen Häufigkeit von 6,8 bis 14 Prozent auf. In mehr als der Hälfte der Fälle wurde S. aureus nachgewiesen (24 von 40). Nahezu allgegenwärtig waren auch die Gattungen Pseudomonas und Acinetobacter. Auf etwa der Hälfte der Instrumente fanden sich Enterokokken, Stenotrophomonas und Clostridien.
Damit keine Keime von Patient zu Patient getragen werden, sollten Stethoskope routinemäßig gereinigt werden. Das funktionierte in der Studie aber erschreckend schlecht: Das Abreiben der Membran mit einem Prof. Dr. Andreas Podbielski, ©A. PodbieslkieinemWasserstoffperoxid-getränkten Tuch für 60 Sekunden reduzierte die Menge an Bakterien nur in der Hälfte der Fälle auf ein Level wie bei unbenutzten Stethoskopen. Wenn die Ärzte und Pfleger die Instrumente selbst mit ihrer persönlichen Methode reinigten, erreichten dies sogar nur zwei von 20.
Prof. Dr. Andreas Podbielski, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie & Hygiene der Universitätsmedizin Rostock und Mitglied der ständigen Arbeitsgemeinschaft für Allgemeine und Krankenhaushygiene der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie bemerkt dazu: „Molekulare Methoden unterscheiden nicht zwischen lebenden und toten Erregern. Insofern mag die beschriebene desinfizierende Reinigung die Erreger zwar nicht vollständig entfernt, kann sie aber trotzdem komplett abgetötet haben. Tote Erreger sind nur noch eine allergologisches, aber kein infektiologisches Problem.“ Hier wären die althergebrachten kulturellen Nachweismethoden also eher aussagekräftig.
Schon seit über zwanzig Jahren wird über kontaminierte Stethoskope lamentiert, getan hat sich seitdem offenbar nicht sehr viel. Auch damals schon war S. aureus auf 38 Prozent der untersuchten Instrumente nachweisbar.
In einer jüngst erschienen Querschnittsstudie haben Wissenschaftler aus Housten anonym die Häufigkeit und Methoden von Ärzten bei der Stethoskop- und Händedesinfektion beobachtet und sind zu folgenden Ergebnissen gekommen:
Laut der Übersichtsarbeit von O‘Flaherti und Fenelon sind etwa 85 Prozent aller Stethoskope bakteriell kontaminiert, und ein Großteil von ihnen trägt eine hohe Anzahl von Keimen: Nach einem 8-Stunden-Tag finden sich auf einem nur zu Beginn desinfizierten Stethoskop etwa 1.000 koloniebildende Einheiten (cfu), es sollten aber maximal 20 cfu sein. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass es sich zum größten Teil um Bakterien der normalen Hautflora handelt, unter denen sich aber in den meisten Fällen auch Krankheitserreger finden.
Podbielski beschreibt einen praktikablen Kompromiss, der in den meisten deutschen Krankenhäusern praktiziert wird: „Schlauch und Membran des Stethoskops werden nach jeder Patientenuntersuchung mit Händedesinfektionsmittel desinfiziert.“ Er weist darauf hin, dass die Verwendung von Händedesinfektionsmittel allerdings nach Medizinprodukterecht inkonsequent und juristisch nicht korrekt ist, weil das Stethoskop als Instrument eigentlich mit einem Instrumentendesinfektionsmittel aufgearbeitet werden muss: „Die gibt es auf Krankenhausstationen meist gar nicht mehr, weil dort die Reinigung zentral in der Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte erfolgt. Händedesinfektionsmittel können für hochwertige Stethoskope zudem aufgrund rückfettender Bestandteile problematisch sein. In diesen Fällen können vorgetränkte Tücher zur Flächendesinfektion zur rückstandsfreien Reinigung verwendet werden, was allerdings auch nicht konform zum Medizinprodukterecht ist.“ Das ständige Suchen nach speziellen Desinfektionstüchern ist im praktischen Alltag aber unter Umständen eine Herausforderung und fällt selbst motivierten Ärzten häufig schwer.
Podbielski sagt: „Hinzu kommt, dass Stethoskope irgendwie immer unpassend sind, aus den Kitteltaschen herausgucken oder herausfallen. Sie um den Hals zu tragen ist aber noch problematischer. Stethoskope sind eine Schwachstelle.“
Die Nachweisbarkeit von Bakterien bedeutet noch nicht, dass es auch tatsächlich zu Infektionen kommt. Podbielski berichtet: „Die Frage ist, ob Patienten deshalb kränker sind oder langsamer gesund werden. Die Überlegung, dass durch Keime auf Stethoskopen Infektionen ausgelöst werden, ist plausibel. Ob sie realistisch ist, wurde aber bisher nicht gezeigt, denn Studien, die eine Ergebnisqualität messen, gibt es nicht. Trotzdem sollen Patienten, wenn irgend möglich, vor fremden Keimen geschützt werden.“ Er ist der Meinung, dass sich auch in einem hektischen Alltag genügend Gelegenheiten für Desinfektionsmaßnahmen ergeben, z. B. auf dem Weg von einem Behandlungszimmer ins andere oder während des Patientengespräches: „Man muss einfach daran denken.“
Artikel von Karen Zoufal
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