In Deutschland steigt die Zahl der Diabetes-Patienten stetig. Gleichzeitig gibt es aber immer weniger Diabetologen. Junge Ärzte entscheiden sich seltener für diesen Schwerpunkt – wohl auch, weil die Anzahl der Lehrstühle zurückgeht. Und wer soll künftig die vielen Patienten versorgen?
Bundesweit leiden laut Informationen der Deutschen Diabetes Gesellschaft 6,7 Millionen Menschen an Diabetes mellitus. Zu 95 Prozent handelt es sich um Typ-2-Diabetes. Jahr für Jahr kommen 500.000 neue Patienten hinzu. Waren in 2009 noch bundesweit 8,9 Prozent betroffen, steig der Wert auf 9,5 Prozent im Jahr 2015. Das schafft Probleme in der Versorgung.
Die Zahlen lassen sich einerseits durch Über- und Fehlernährung, durch wenig Bewegung und Übergewicht erklären. Andererseits leben Patienten durch Fortschritte in der ärztlichen Versorgung heute länger als noch vor 20 Jahren. Beispielsweise hat in der Altersgruppe über 85 jeder Fünfte Typ-2-Diabetes. Eine Trendwende zeichnet sich aktuell nicht ab. Umso wichtiger sind der Ausbau ambulanter und stationärer Strukturen. In 2017 gab es rund 60.000 Hausärzte und 1.100 diabetologische Schwerpunktpraxen. „Der Bedarf für eine Schwerpunktpraxis liegt bei mindestens einer Praxis pro 50.000 bis 100.000 Einwohnern deutlich höher“, sagt DDG-Präsident Professor Dr. Baptist Gallwitz. Er rechnet aufgrund steigender Erkrankungsprävalenzen in Zukunft mit einem noch höheren Bedarf im niedergelassenen Bereich. Außerdem gibt es rund 165 zertifizierte Einrichtungen in Krankenhäusern.
Gallwitz rechnet aus unterschiedlichen Gründen mit Versorgungslücken. Fast ein Drittel aller Ärzte in dem Bereich ist über 50, und knapp ein Fünftel sogar über 60. Der Nachwuchs hat wenig Interesse. Im Studium sei die Diabetologie Gallwitz zufolge „nicht ausreichend verankert und repräsentiert“. Der Bereich gilt als vermeintlich ambulante Disziplin ohne relevantes Pendant in der Klinik. Diese Entwicklung hängt nicht zuletzt mit der ständig sinkenden Zahl an klinischen Lehrstühlen für Diabetologie und an Ausbildungsmöglichkeiten in Krankenhäusern zusammen. Gibt es weniger Experten, die lehren, sinkt automatisch die Zahl an jungen Diabetologen. Experten erklären die Einbrüche im klinischen Bereich v.a. mit den umstrittenen Fallpauschalen. Apparative Diagnosen, und chirurgische Interventionen führen bei möglichst kurzer Liegezeit zum ökonomisch besten Ergebnis eines Klinikums. Wie das in der Diabetologie aussieht, zeigt DDG-Experte Privatdozent Dr. Erhard Siegel anhand eines Rechenbeispiels. Für die Amputation mit einwöchigem stationärem Aufenthalt rechnet das Krankenhaus rund 6.000 Euro ab, und für die Antibiotikatherapie mit zwei- bis dreiwöchiger Bettruhe rund 3.000 Euro. Diabetologie im klassischen Sinne führt also zum schlechteren betriebswirtschaftlichen Ergebnis.
Neben der Forderung, Leistungen adäquat zu vergüten, nennt die DDG im Papier „Diabetologie 2025“ weitere Handlungsfelder. Speziell zum Thema Nachwuchsgewinnung fordern experten:
Angesichts steigender Patientenzahlen wird es langsam Zeit, zu handeln.