Dendritische Zellen finden sich auch in den feinsten Kapillar-Verästelungen der Lymphgefäße zurecht, obwohl der Lymphfluss dort sehr schwach ist. Im Mausmodell wurde gezeigt, dass der Botenstoff „CCL21“ den Zellen hilft, die Richtung des nächsten Lymphknotens zu finden.
Das Lymphsystem ist die Rohrpost unserer Immunabwehr, die Lymphknoten dessen Schaltzentralen. In diesen Zentralen reifen Antikörper und Killerzellen heran, welche in unserem Körper befindliche Krankheitserreger zu bekämpfen vermögen. Informationen über solche Erreger gelangen über die Lymphgefäße dorthin. Eine Armada von dezentral im Gewebe stationierten Wächterzellen, dendritische Zellen genannt, greift die Erreger auf. Über die Lymphgefäße gelangen diese Zellen in den nächsten Lymphknoten.
In den größeren Lymphgefäßen des Körpers werden die dendritischen Zellen von der Lymphflüssigkeit mitgerissen. Nicht so in den feinsten, kapillaren Verästelungen der Lymphgefäße, welche das Gewebe durchdringen. Dort beginnen die dendritischen Zellen ihre Wanderung obwohl der Lymphfluss dort zu schwach ist. Wie die Zellen dort dennoch vorwärtskommen, haben Immunologen der ETH Zürich nun aufgeklärt. Der Lymphfluss ist zwar auch in den Kapillargefäßen am Zelltransport beteiligt, jedoch nur indirekt. Bereits vor einigen Jahren beobachteten Cornelia Halin und ihre Kollegen unter dem Mikroskop, dass sich die dendritischen Zellen in den Lymphkapillaren in einem verworrenen Zickzackkurs in Richtung eines Lymphknotens bewegen. Es ist eine aktive, wenn auch ineffiziente Vorwärtsbewegung. Halin spricht dabei von Patrouillieren. Doch wie finden die dendritischen Zellen dabei die Richtung des nächstgelegenen Lymphknotens? Wie Erica Russo, Erstautorin der Studie, nun an Mäusen zeigen konnte, orientieren sich die Zellen in den Kapillaren anhand des Botenstoffs „CCL21“. „Die Innenseite der Kapillarwand ist mit CCL21-Molekülen ausgekleidet, wobei deren Dichte in Richtung Lymphknoten zunimmt“, erklärt Russo. Weil die dendritischen Zellen einen Rezeptor für CCL21 besitzen, gelingt es ihnen, die Richtung zu finden.
Mithilfe von Zellkulturexperimenten konnten die Wissenschaftler auch entschlüsseln, warum die Konzentration der CCL21-Wegweisermoleküle in Richtung Lymphknoten zunimmt. „Der extrem schwache Lymphfluss in den feinen Kapillargefäßen reicht zwar nicht aus, um Zellen mitzureißen. Doch er reicht [aus], um die nur schwach mit der Gefäßwand wechselwirkenden Wegweisermoleküle in Richtung Lymphknoten zu bewegen“, so Russo. Dendritische Zellen (grün) wandern durch lymphatische Kapillargefäße (rot; Mikroskopiebild). © ETH Zürich / Erica Russo Warum die dendritischen Zellen nicht etwa zielgerichtet durch die Kapillargefäße krabbeln, sondern einen unsteten Zickzackkurs verfolgen, ist im Moment unklar. Eine Hypothese, der Halin in weiterer Forschungsarbeit nachgehen möchte: Vielleicht tauschen die Zellen mit den Gefäßwänden oder mit anderen Zellen Informationen aus, die für ihre Funktion als Wächterzellen des Immunsystems bedeutend sind. Originalpublikation: Intralymphatic CCL21 Promotes Tissue Egress of Dendritic Cells through Afferent Lymphatic Vessels Erica Russo et al.; Cell Reports, doi: 10.1016/j.celrep.2016.01.048; 2016