Der jährliche Pap-Abstrich der Zervix ist für Gynäkologen und Patientinnen zur gut eingespielten Routine geworden. Ab 2020 wird er für Frauen ab 35 Jahren nur noch alle drei Jahre von der Krankenkasse übernommen. Warum das bei Gynäkologen für Unsicherheit sorgt.
In Deutschland steht bisher jeder Frau ab 20 Jahren eine jährliche gynäkologische Krebsvorsorgeuntersuchung zu. Diese umfasst das anamnestische Gespräch nach Beschwerden, wie etwa Unterbauchschmerzen, auffälligem vaginalem Fluor oder Veränderungen am äußeren Genitale beziehungsweise der Mammae. Dabei werden üblicherweise auch Fragen zur Antikonzeption oder Probleme einer eventuellen Harninkontinenz besprochen.
Auch die Messung des Blutdruckes und eine Empfehlung zur Darmkrebsvorsorge gehören ab 50 Jahren hinzu. Großen Stellenwert hat die Beratung bezüglich des Mammographie-Screenings zwischen 50 und 69 Jahren. Da nicht wenige Frauen regelmäßiger beim Gynäkologen als beim Hausarzt sind, entsteht oft ein Vertrauensverhältnis, das darüberhinaus auch psychosomatische Gespräche zulässt.
Die Untersuchung umfasste bisher einen jährlichen zytologischen Abstrich der Zervix und eine bimanuelle Palpation von Uterus und Adnexen. Bei der Spiegeleinstellung werden Vulva und Vagina auf Veränderungen inspiziert. Ab 50 Jahren wird auch rektal untersucht. Bei Hautauffälligkeiten kann eine Überweisung zum Hautarzt erwogen werden. Danach erfolgt ab 30 Jahren die Palpation der Mammae und der ableitenden Lymphabflusswege. Bei Beschwerden oder familiärer Risikokonstellation kann dies auch schon früher erfolgen.
Der Vaginalultraschall gehört nicht zur gesetzlichen Vorsorge und findet nur bei Beschwerden oder als IGeL-Leistung statt. Der Pap-Abstrich wird vom Zytologen entsprechend der Münchner Klassifikation III in die Gruppen Pap I bis Pap V eingeteilt. Patientinnen der Gruppe Pap I werden bisher altersunabhängig nach einem Jahr routinemäßig kontrolliert. Ergebnisse aller anderen Gruppen werden je nach Befund kurzfristiger wiederholt oder einer weiterführenden Diagnostik wie HPV-Test, Kolposkopie oder einer histologischen Abklärung zugeführt.
In einer Pressemitteilung des gemeinsamen Bundesausschusses vom 22. November 2018 wurden die Eckpunkte der vorgesehenen Veränderungen erläutert. Der Beschluss zur Änderung wird dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorgelegt. Er wird bei Nichtbeanstandung und Bekanntmachung im Bundesanzeiger am 1. Juli 2019 in Kraft treten. Danach wird der Bewertungsausschuss innerhalb von sechs Monaten über die Höhe der Vergütung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) entscheiden. Ab 1. Januar 2020 werden die Krankenkassen an alle Frauen zwischen 20 und 65 Jahren die ersten Informationsschreiben zur Teilnahme am Programm versenden. Ein solches Informationsschreiben soll in Zukunft alle fünf Jahre erfolgen.
Frauen über 65 Jahre werden auch weiterhin an den Früherkennungsuntersuchungen teilnehmen können. Frauen zwischen 20 und 34 Jahren werden unverändert einmal jährlich einen Pap-Abstrich als Kassenleistung erhalten. Wie bisher können sich, je nach Ergebnis, weiterführende Untersuchungen anschließen. Frauen ab 35 Jahren werden nur noch alle drei Jahre eine Kombinationsuntersuchung aus Pap-Abstrich und HPV-Test als Kassenleistung erhalten. Auch hier entscheidet das Ergebnis über das weitere Prozedere.
Alle Frauen ab 20 Jahren werden, abgesehen von den erwähnten Tests (Pap-Abstrich und HPV-Test), weiterhin einen Anspruch auf eine jährliche rein klinische Untersuchung haben. Vorgesehen ist, dass die beschlossenen Screening-Inhalte nach einer wenigstens sechsjährigen Beurteilungsphase überprüft werden.
Anlass für die vorgesehen Veränderungen waren wissenschaftliche Studien und internationale Vergleiche mit anderen Früherkennungsprogrammen. Mit den Änderungen soll eine organisatorische Weiterentwicklung und teilweise Neuorganisation des bereits etablierten Programms vorangetrieben werden. Wichtige Schritte sind die Durchführung eines organisierten Einladungsverfahrens, Anpassung der Untersuchungsintervalle und die Regelung des Follow-ups bei auffälligen Befunden. Ziel ist eine weitere Senkung der Erkrankungs- und Sterblichkeitsrate des Zervixkarzinoms. Außerdem sollen unnötige Abklärungsuntersuchungen und falsch-negative Befunde noch stärker vermieden werden.
Klingt plausibel – und begründete Neuerungen sind nicht von vorneherein abzulehnen. Die Verlässlichkeit der Studienlage lässt sich im Detail aber schwer nachprüfen und der Beschluss wird voraussichtlich nicht mehr zu ändern sein. Für den zukünftigen Routinealltag gibt es unter Gynäkologen folgende Bedenken:
In Gesprächen unter niedergelassenen Gynäkologen kristallisiert sich eine Hauptsorge heraus. Es wird befürchtet, dass die jährliche klinische Untersuchung ab 35 Jahren nicht mehr regelmäßig von den Patientinnen in Anspruch genommen wird. Alle aufgeführten Aspekte der Beratung und sonstigen Vorsorgemaßnahmen könnten durch das neue, komplexere Früherkennungsprogramm außen vor bleiben. Je uneinheitlicher ein Rahmenprogramm ist, desto weniger Anklang findet es bei den Teilnehmern.
In der Prävention tätige Gynäkologen hoffen, dass sich der neu eingeschlagene Weg als Erfolgsgeschichte etabliert. Schade wäre es allerdings, wenn ein bewährtes System zu Unrecht abgelöst würde.
Artikel von Petra BrandtBildquelle: Rakesh Naidu, Pexels