Benötigen junge Patienten künstliche Herzklappen, treten schnell Probleme auf: Die Kinder wachsen, aber der Klappenersatz wächst nicht mit. Studienergebnisse zu mitwachsenden Herzklappen waren bislang enttäuschend. Jetzt liefern Forscher aus Zürich neue Ergebnisse.
Eine der häufigsten angeborenen Erkrankungen ist der Herzfehler – nahezu jedes 100. Kind leidet daran. Ursache dafür kann beispielsweise ein Defekt im Bereich der Herzklappen sein. Als Herzklappenfehler werden alle Funktionsstörungen einer der vier Klappenventile des Herzens bezeichnet. Hierbei unterscheidet man zwischen Stenosen der Herzklappen – also einer Verengung – oder einer Insuffizienz, dem mangelhaften Schluss der betroffenen Klappe. Bei Kindern kann eine solche Erkrankung zunächst symptomlos verlaufen, langfristig aber zu einer schweren Herzinsuffizienz führen. Um dies zu verhindern werden bereits betroffene Kleinkinder operiert: Die derzeit verwendeten, künstlichen Herzklappen haben allerdings erhebliche Nachteile.
Aufgrund ihrer künstlichen Struktur sind künstliche Herzklappen nicht in der Lage, sich zu regenerieren. Außerdem können sie sich nicht den Größenverhältnissen des wachsenden Kinderkörpers anpassen. Das macht ein stetiges Austauschen des Klappenersatzes bei dem im Wachstum befindlichen Patienten erforderlich. Mit den Operationen ist außerdem immer ein entsprechendes Risiko von auftretenden Komplikationen verbunden. Deshalb wird seit mehr als 20 Jahren an einem Herzklappenersatz, der mit dem Patienten zusammen wachsen kann, geforscht. Im Rahmen des sogenannten Tissue Engineering sollen dabei aus lebenden Zellen gezüchtete, nativähnliche Herzklappen hergestellt werden. Diese sollen die Fähigkeit zur Regeneration und Anpassung an den Organismus besitzen. Beim Tissue Engineering werden Zellen aus einem lebenden Organismus entnommen und anschließend außerhalb des Organismus angezüchtet, um in vitro biologische Gewebe zu bilden. Die Gewebe wiederum dienen später als Implantat um krankes Gewebe des Patienten zu ersetzen oder zu regenerieren.
Dass dies funktionieren kann, haben nun Forscher in Zürich gezeigt. Erste Formen der im Labor gezüchteten Herzklappen konnten sich bereits beim Einsatz in Lämmern als Tiermodell bewähren. Der Klappenersatz wurde bei den Tieren über einen Katheter eingesetzt und deren Funktion ein Jahr lang beobachtet. Bei 9 von 10 Schafen wiesen die Herzklappen auch nach einem Jahr noch ihre volle Funktionsfähigkeit auf. Die eingesetzte, künstlich erzeugte Herzklappe bestand dabei aus einer durch Tissue Engineering hergestellten extrazellulären Matrix, welche später nach Implantation in den Patienten von Endothelzellen besiedelt wird.
Bereits vor dieser neuen Generation künstlicher Herzklappen, wurden mit Tissue Engineering hergestellte Modelle im Tier getestet. Bisher waren diese Tests allerdings größtenteils erfolglos. Auftretende, unkontrollierte Geweberemodellierungen im Bereich der neuen Herzklappe begrenzten deren Langzeitfunktion in vivo: Der Klappenersatz wurde besonders an Stellen, die im Herzen einer hohen Belastung ausgesetzt waren, von glatten Muskelzellen besiedelt. Bei Kontraktion dieser Muskelzellen kam es zu einer Verkürzung der Segelklappen, was bereits nach wenigen Monaten im Tiermodell zu einer Regurgitation führte. Als weitere Komplikation trat ein verstärktes Zellwachstum des Bindegewebes auf. Das führte zu einer Verdickung der Segel, welche im Folgenden für auftretende Stenosen der Klappen verantwortlich war.
Das Besondere des neuen Klappenmodells ist dessen computergestütztes Design. Anhand einer Simulation konnte die Belastung an verschiedenen Stellen des Klappenersatzes im Voraus bestimmt werden. So war es möglich durch ein spezielles, geometrisches Design, Schwachstellen gezielt auszumerzen und somit ein Wachstum durch glatte Muskelzellen zu verhindern. Der Test im Schaf zeigte: Auch nach einem Jahr schließen die TE-Klappen noch dicht ab und zeigen keine Regurgitation. Ob allerdings mithilfe des neuen Computerdesigns alle bisher auftretenden Komplikationen behoben werden können und der Klappenersatz auch über ein Jahr hinaus seine Funktion erhalten kann, ist bisher noch unklar. Weitere Tests und experimentelle Langzeitstudien im Tiermodell müssen zeigen, ob die mitwachsenden Herzklappen schon so weit ausgereift sind, dass klinische Studien im Humanbereich durchgeführt werden können.