Viele Arzneimittel wirken auf Rezeptoren ein, die in der Außenhülle unserer Körperzellen sitzen. Einer dieser Rezeptoren ist der Beta-1-Adrenorezeptor. Er ist unter anderem für das Herzklopfen (Palpitation) verantwortlich. Es ist nun detailliert aufgeklärt, wie er Signale ins Zellinnere überträgt.
Kaum auf die Türklingel gedrückt, schon entsteht Bewegung im Inneren des Hauses – ohne dass der Besucher selbst ins Haus eintreten muss. Ganz ähnlich wirken viele Medikamente, darunter Beta-Blocker gegen Bluthochdruck und Arzneistoffe zur Behandlung von Allergien, Krebs, Parkinson oder HIV. Diese Arzneimittel binden an Rezeptoren, die in der Außenhülle unserer Körperzellen sitzen. Genau wie die Türklingel leiten die Rezeptoren daraufhin ein Signal ins Zellinnere, was dort wiederum zur erwünschten Wirkung führt.
Eine dieser „Türklingeln“ hat ein Forscherteam vom Paul Scherrer Institut genauer untersucht – den Beta-1-Adrenorezeptor. Mit Messungen per Kernmagnetresonanzspektroskopie (NMR) konnten die Wissenschaftler verfolgen, wie die Struktur dieses Rezeptors auf verschiedene Wirkstoffe reagiert, wie also der Rezeptor seine Struktur verändert und dadurch ein bestimmtes Signal ins Zellinnere weiterleitet. Der Beta-1-Adrenorezeptor ist unter anderem in der Außenhülle von Herzzellen zu finden. Er wird beispielsweise durch das Hormon Noradrenalin aktiviert und löst dann eine Signalkaskade aus, die schließlich zu einem Anstieg der Herzfrequenz und des Blutdrucks führt. Somit ist der Beta-1-Adrenorezeptor buchstäblich für das Herzklopfen verantwortlich, das wir bei Lampenfieber oder Verliebtheit spüren. Beta-Blocker wirken dem entgegen, indem sie das Hormon daran hindern, an den Beta-1-Adrenorezeptor anzudocken. Nun sind genaue Details darüber ans Licht gekommen, wie die Bindung verschiedener Moleküle an den Beta-1-Adrenorezeptor dessen Struktur verändern und so seine Signalübertragung beeinflussen.
Der Beta-1-Adrenorezeptor gehört zur Familie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren. Da diese allesamt vergleichbare Mechanismen haben, lassen sich die neuen Ergebnisse der Forscher auf die ganze Rezeptorfamilie übertragen. G-Protein-gekoppelte Rezeptoren wiederum sind für die Wirkweise von rund 30 Prozent aller neu zugelassenen Medikamente verantwortlich und daher von großer Bedeutung in der Medizin. Das Team entwickelte eine stabilisierte Version des Beta-1-Adrenorezeptors, was die hohe Qualität der NMR-Messungen ermöglichte. „Wir haben mittels hochauflösender NMR-Spektroskopie die strukturellen Veränderungen des Beta-1-Adrenorezeptors nach Bindung verschiedener Wirkstoffe analysiert“, erklärt Shin Isogai, Erstautor der Studie vom Biozentrum Basel. „So konnten wir beobachten, wie der Rezeptor seinen Bindungspartner erkennt, dessen chemische Struktur interpretiert und durch die Änderung seiner eigenen Struktur diese Information anschließend ins Zellinnere weiterleitet.“ NMR-Spektroskopie zeigt Signalweiterleitung von Arzneimitteln im Beta-1-Adrenorezeptor. © Universität Basel
Mit ihrer NMR-Methode konnten die Forscher nachverfolgen, wie sich die Struktur des Rezeptors änderte. So konnten sie feststellen, wie tief ein Wirkstoff in den Rezeptor eindrang, wie er dabei einzelne Proteinteile beiseiteschob und wie dieses mechanische Signal ins Zellinnere übertragen wurde. Dadurch konnten sie wichtige mechanische Verknüpfungen innerhalb der Rezeptorstruktur identifizieren, die für die Signalübertragung eine Rolle spielen. Aus den NMR-Daten ergab sich auch ein direktes Maß für die Bindungsstärke der verschiedenen Wirkstoffe und für ihr Potenzial, in der Zelle eine Antwort auszulösen. Eine solche Antwort, die der Bindung eines intrazellulären Signalproteins an den aktivierten Rezeptor entsprang, konnten die Forscher sogar direkt verfolgen. „Wir werden die Technik nun zur Erforschung der Rolle einzelner Aminosäuren in der Signalübertragung sowie anderer Rezeptoren verwenden,“ so Isogai. Zukünftig könnte die NMR-Methode auch bei Entwicklungen und Tests neuer Arzneimittel zum Einsatz kommen. Originalpublikation: Backbone NMR reveals allosteric signal transduction networks in the β1-adrenergic receptor Shin Isogai et al.; Nature, doi: 10.1038/nature16577; 2016