Hausärzte sollen alle Erkrankungen erkennen, dabei nicht zu viel Diagnostik machen, immer schnell sein und bitte auch auf die Kosten achten. Wie soll das gehen? Kollegin Dr. Sandra Masannek, Fachärztin für Allgemeinmedizin, nennt es die Quadratur des Kreises.
Das Interview in schriftlicher Ausführung:
„Auf gesundheitspolitischer Ebene ist man so ein bisschen der Fußabtreter der Nation. Also auch wenn man es leider manchmal – glaube ich – in der Ärztekammer nicht ganz einfach mit der Position der Hausärzte hat, weil bei uns landet einfach alles. Wenn ein Kollege sagt: „Der Patient ist austherapiert“, kann ich den nicht wegschicken. Der sitzt bei mir. Wenn irgendein Kollege ganz salopp sagt: „Das Labor muss mal eben abgenommen werden“, dann kommt der damit zu mir. Sodass man also für alle auch manchmal ein bisschen die Drecksarbeit machen muss. Oder eben – wenn wirklich ein Kollege nicht aufklärt, dass eine bösartige Erkrankung vorliegt – sitzt der Patient weinend bei uns.
Es ist so: Als Hausarzt werden von unheimlich vielen Seiten Erwartungen an einen herangetragen und diese Erwartungen widersprechen sich. Beispiel: Wir sollen Antibiotika nicht verschreiben wenn sie nicht indiziert sind. Verständlich und medizinisch richtig. Der Patient kommt aber mit der Erwartung: Schnell Antibiotika, schnell fit, der Arbeitgeber hängt ihm im Nacken und er soll schnell wieder arbeiten. Das heißt der Patient sitzt hier und ich kann versuchen ihm das zu erklären. Dafür brauch ich viel Zeit, ich hab aber viele Leute [im Wartezimmer]– dann passt das wieder nicht zusammen. Ich soll alles erkennen, soll aber gleichzeitig einen Patienten, der eher ein psychosomatisches Problem hat nicht zu viel Diagnostik machen, weil man weiß, dass das seinen Zustand verschlimmert. Aber auch da wieder, der Patient erwartet was, wir müssen allen anderen Erwartungen gerecht werden und dann sollen wir auch noch auf die Kosten achten. Das ist die Quadratur des Kreises, mit all diesen Anforderungen. Eine alleine kriegen wir hin, zwei kriegen wir auch noch unter einen Hut. Alle zusammen wird dann manchmal echt schwierig.
Also was sich ändern sollte wäre meiner Meinung nach, dass Arbeitnehmer erst mal wirklich zu Hause bleiben können. Für bis zu fünf Tage ohne AO. Dann hätten wir den Kopf frei für die Patienten, die es brauchen und bräuchten nicht für einen Verwaltungsakt – der normalerweise ein Telefonanruf ist wie „Ich kann heut nicht kommen“ – hier fünf bis zehn Minuten mit allem Pipapo, Papierkram, Dokumentation und bla. Obwohl die Patienten nicht so krank sind, dass sie uns brauchen.
Jein. Dass ich die Therapie komplett über den Haufen geworfen habe: Nein, das nicht. Aber in der Umsetzung der Therapie haben wir es ja manchmal schwer. Beispiel: Aufgrund der langen Anfahrtswege hier auf dem Land. Vor Kurzem kam ein Patient, war am Arm operiert worden – Bizepssehnenruptur – der brauchte Physiotherapie. Wir haben genau zwei Orthopäden hier, Termin in vier Monaten [möglich]. Der braucht seine Physiotherapie aber jetzt. Das heißt: Unser Budget wird entweder belastet mit der Physiotherapie oder wir müssen ihn irgendwie wieder in die Warteliste kriegen. Das heißt, entweder ich hänge mich ans Telefon – oder ich lass meinen Patienten hängen – oder ich belaste mein Budget, mit etwas, das eigentlich orthopädisch ist und uns damit wirtschaftlich auf die Füße fällt.
Weil es gewissermaßen die Essenz des Arztes ist. Also einerseits hat es diese wahnsinnige Breite. Keine Scheuklappen, es kann alles kommen. Die andere Sache ist, weil man auch glaub ich manchmal – zumindest wenn man reinschnuppert – danach den Hausarzt besser versteht. Und weil man im Studium sehr gerne die total abgefahrenen seltenen Sachen lernt, aber manchmal den Bezug zur Basis verliert. Da ist die Hausarzt-Medizin [wieder] die Basis.“