Wissenschaftler suchen gezielt nach neuen Strategieformen, um resistente Bakterien anzugreifen. Ihnen ist es dabei kürzlich gelungen, aus Lactoferrin ein künstliches Virus zu erschaffen, um infolgedessen Pathogene zu eliminieren.
Gegen resistente Erreger helfen nicht nur neue Wirkstoffe, sondern vor allem gänzlich unterschiedliche Angriffspunkte. Jetzt haben Wissenschaftler Lactoferrin, einen alten Bekannten, näher untersucht. Das Protein kommt unter anderem in der Milch von Säugetieren vor. Es hat in vitro antivirale und antibakterielle Eigenschaften, wirkt als Nuklease, aber auch als Inhibitor der Tryptase.
Britischen Forschern um Maxim G. Ryadnov und Valeria Castelletto gelang es, aus Lactoferrin künstliche, virusähnliche Partikel herzustellen. Ihre Überlegung war, dass eine Domäne mit lediglich sechs Aminosäuren für die antimikrobiellen Eigenschaften verantwortlich ist. Untersuchungen der Proteinstruktur ergaben außerdem Hinweise, dass sich Lactoferrin in höherer Konzentration zu Kapseln aggregiert. Anschließend synthetisierten Ryadnov und Castelletto Teilfragmente mit der aktiven Region. Tatsächlich entstanden im Labor per Aggregation virusartige Partikel. Sie erkannten Bakterien nicht nur, sondern zerstörten deren Membran. Menschliche Zellen blieben intakt.
Die synthetischen Konstrukte zeigen weitere interessante Eigenschaften. Sie könnten verwendet werden, um genetisches Material in Zellen einzuschleusen. Das sogenannte Silencing gilt als innovative Methode zur Unterdrückung von Genexpressionen auf transkriptionaler oder translationaler Ebene. Ryadnov und Castelletto versetzten Lactoferrin-Fragmente im Labor mit kurzen RNA-Molekülen, sprich small interfering RNA (siRNA). Kurz darauf bildeten sich Kapside mit Ribonukleinsäuren im Zentrum. Die Partikel infizierten menschliche Zellen in vitro. Momentan befinden sich einige siRNA-basierte potenzielle Arzneistoffe in Erprobung, etwa Nukleinsäuren gegen Filoviren wie das Marburg- und Ebola-Virus. Künstliche Partikel auf Basis von Lactoferrin transportieren nicht nur siRNAs. Im menschlichen Körper kämen ihre antimikrobiellen Eigenschaften zum Tragen.