In den Medien nennt man sie fliegende Zecke: Die europäische Hirschlausfliege. Sie breitet sich gerade in den USA aus, berichten Entomologen. Auch in Mitteldeutschland wird sie vermehrt gesichtet. Ist dieses Insekt für Menschen gefährlich?
Die Hirschlausfliege (Lipoptena cervi) erobert die USA, berichten Forscher der Pennsylvania State University. Auf Englisch als deer fly und im Deutschen gerne auch als fliegende Zecke bezeichnet, zählt dieser Parasit zu jenen, die dazu in der Lage sind, Krankheiten zu übertragen. Die Entomologen befürchten, dass die Tiere Pathogene auf den Menschen übertragen könnten.
In ihrem Bericht weist die Forschergruppe darauf hin, dass die europäische Lipoptena cervi nun auch in den USA vorzufinden ist. Sie breitet sich sogar stärker aus als bisher angenommen. Bereits in Connecticut, Rhode Island, Vermont und Virginia wurde die Hirschlausfliege gesichtet, die zur Familie der Bremsen zählt. Dabei beziehen sich die Entomologen auf Berichte und gesammelte Daten aus der Bevölkerung.
Bei uns gibt es die Hirschlausfliege schon lange. Immer mehr von ihnen wurden bereits im Vorjahr vor allem in Mitteldeutschland gesichtet, heißt es etwa in der Süddeutschen Zeitung. Über Medienberichte hinaus gibt es aber keine Daten, die diesen Eindruck belegen. Denn „das Auftreten der Hirschlausfliege ist nicht meldepflichtig. Wir haben keinerlei zentrale Informationen, ob die Population steigt“, erklärte etwa ein Mitarbeiter vom Kompetenzzentrum Wald und Forstwirtschaft in der Leipziger Volkszeitung (LVZ).
Wissenschaftler machten im Vorjahr darauf aufmerksam, wie stark und wie früh im Jahr sich die Fliege in Deutschland ausbreitete. Letzteres führten sie auf die Witterung zurück. Vor allem Hunde und Pferde sollen häufig Opfer von Bissen werden, die sich in Hautentzündungen äußern. Laut MDR meldeten Tierärzte hier eine starke Zunahme von Behandlungen. Menschen beißt die Fliege meist in den Nacken, erklärte ein Tierarzt der Veterinärmedizinischen Fakultät Leipzig im Bericht der LVZ.
Erforscht ist das Insekt bisher kaum. Bekannt ist, dass der circa 5 Millimeter große Blutsauger vor allem Wildtiere, Zuchttiere, aber auch Haustiere und in immer mehr Fällen auch Menschen beißt.
Quelle: Penn State News (a: André De Kesel, b: Alex Wild)
Sobald die Bremse ihren Wirt erreicht hat, brechen die Flügel ab, wie man auf unserem Foto zu Beginn des Artikels sehen kann.
Inwiefern diese Bisse gefährlich für den Menschen sein können, ist noch unklar. In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2014 kritisieren die Autoren, dass Bremsen in der Wissenschaft bislang vernachlässigt wurden. Sie fassen zusammen, welche Assoziationen bei unterschiedlichen Bremsenarten mit übertragbaren Krankheiten bisher in wissenschaftlichen Berichten Erwähnung fanden. Groß angelegte aussagekräftige Studien stehen noch aus.
Vielleicht ändert sich das bald: Volkhard Kempf vom Universitätsklinikum in Frankfurt am Main erforscht das Insekt seit einigen Jahren. Bereits 2017 sammelten er und seine Kollegen Exemplare und analysierten sie im Labor. Bei circa 90 Prozent der Tiere wiesen sie das Bakterium Bartonella schoenbuchensis nach. Dieser wirkt sich auf der Haut in ähnlicher Weise aus wie Bartonella henselae, auch als Erreger der Katzenkratzkrankheit bekannt. Ob das Bakterium durch das Insekt auf den Menschen übertragen werden kann, ist eine Frage, die der Mikrobiologe aufgrund der dünnen Datenlage nicht beantworten kann.
Auch das Forscherteam der Pennsylvania State University will im nächsten Schritt die Hirschlausfliege auf Erreger untersuchen. Falls die Parasiten tatsächlich Pathogene übertragen, wollen sie zuallererst herausfinden, wie es zu einer Infektion kommt: durch Bisse oder über den Darm der Tiere nach einer Blutmahlzeit.
Bildquelle: Frank Vassen, flickr