Bruxismus, also das Zähneknirschen, entsteht durch wiederholte Aktivität der Kaumuskulatur. Davon ist jeder fünfte Mensch in Deutschland betroffen. Jetzt wurde erstmals eine S3-Leitlinie veröffentlicht.
„Das Zähneknirschen selbst wird nicht als Krankheit angesehen, es kann jedoch ernsthafte Folgen für die Gesundheit der Zähne, Kaumuskulatur und Kiefergelenke haben“, sagt Prof. Dr. Ingrid Peroz von der Charité Berlin zusammen. Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT) fasste kürzlich die Ergebnisse der ersten deutschen Leitlinie zum Bruxismus zusammen, die nun veröffentlicht wurde.
Auf der Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) in Berlin erläuterte Prof. Peroz gemeinsam mit Dr. Matthias Lange den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Thema Bruximus.
Zähneknirschen ist wie das Zähnepressen oder das Anspannen der Kiefer ohne Zahnkontakt eine wiederholte Aktivität der Kaumuskulatur, die man unter dem Begriff Bruxismus zusammenfasst. Diese Aktivitäten können rhythmisch verlaufen (phasischer Bruxismus) oder aber über einen gewissen Zeitraum andauern (tonischer Bruxismus). Zudem unterscheidet man, ob Bruxismus im Wachzustand auftritt (Wachbruxismus) oder während des Schlafs (Schlafbruxismus). Bruxismus kann bereits mit dem Durchbruch der ersten Zähne beginnen, tritt am häufigsten im zweiten bis dritten Lebensjahrzehnt auf und nimmt mit zunehmendem Alter eher ab. Wachbruxismus ist bei Erwachsenen häufiger als Schlafbruxismus. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.
Die Ursachen für Bruxismus sind nicht eindeutig identifiziert. Während man früher noch annahm, dass fehlerhafte Zahnkontakte Auslöser seien, stehen heute andere Faktoren im Vordergrund: emotionaler Stress, Angststörungen, Schlafstörungen (z. B. Insomnie), Reflux, Nikotin-, Alkohol-, Koffein- und Drogenkonsum, Nebenwirkungen von Medikamenten oder genetische Faktoren. Wachbruxismus scheint eher psychologisch bedingt (emotionaler Stress und andere emotionale Faktoren), während Schlafbruxismus eher als zentralnervöse Störung angesehen wird. Es wird diskutiert, dass Bruxismus eine stressabbauende Funktion hat. Dies wäre eine Erklärung für eine physiologische Funktion des Bruxismus in Zusammenhang mit Stress.
Gelegentlich durchgeführte wiederholte Muskelaktivitäten sind ein völlig harmloses Verhalten. Neben Schädigungen an der Zahnhartsubstanz oder Funktionsstörungen im Kauorgan könne Bruxismus auch schützende Funktionen für die Gesundheit erzeugen. Häufig sind sich Patienten dieser Muskelaktivitäten gar nicht bewusst. Jeder kennt aber Situationen, in denen solche Muskelanspannungen vorkommen. Auch Sprachbilder weisen auf Bruxismus hin: z. B. die Zähne zusammenbeißen, sich in ein Problem verbeißen, zerknirscht sein. Bruxismus kann auch protektive Auswirkungen auf die Gesundheit haben. So tritt er häufig in Verbindung mit schlafbezogenen Atmungsstörungen auf (z. B. Schlafapnoe), wobei die Muskelanspannungen die oberen Atemwege offenhalten. Bei Reflux bewirkt Bruxismus eine vermehrte Speichelproduktion und damit eine Reduktion der Säurewirkung.
Bruxismus ist ein Risiko für das Entstehen von Beschwerden und/oder Funktionsstörungen an den Zähnen, der Kaumuskulatur oder den Kiefergelenken (craniomandibuläre Dysfunktionen). Durch die Überbelastung der Zähne und durch den Abrieb von Zahnsubstanz werden die Zähne überempfindlich auf Heiß und Kalt, Süß oder Sauer. Die Kaumuskulatur kann auf die wiederholten Aktivitäten mit Muskelbeschwerden reagieren, wobei die Regionen der Wange und der Schläfe am häufigsten betroffen sind. Es sind die weniger starken Muskelanspannungen, die zu schmerzhaften Muskelreaktionen oder zur morgendlicher Muskelsteifigkeit führen.
Die Anspannung der Kaumuskulatur kann auch zur Überlastung der Kiefergelenke führen. Als Symptome treten Schmerzen im Bereich der Kiefergelenke auf z. B. beim Kauen harter Speisen, bei weiter Kieferöffnung oder bei Seitwärtsbewegungen des Unterkiefers. Kiefergelenkgeräusche oder blockierte Kiefergelenke sind ebenfalls häufiger mit Bruxismus verknüpft.
Mit Hilfe eines kurzen Befundes können Anzeichen für Bruxismus aufgedeckt werden. Erste Hinweise liefern Berichte von Patienten, die von ihrer Familie oder ihrem Partner auf Knirschgeräusche im Schlaf aufmerksam gemacht werden oder nachts mit zusammengebissenen Zähnen erwachen. Typische Anzeichen, wie Schäden und Abnutzungserscheinungen an den Zähnen, Schmerzen in der Kaumuskulatur und Berichten über kurzzeitige Schwierigkeiten bei der Mundöffnung oder im Tagesverlauf auftretender Überempfindlichkeit der Zähne ergänzen das Bild. Die klinische Untersuchung beginnt mit der Beurteilung der Kaumuskulatur. Es folgt eine Bestandsaufnahme der durch das Knirschen und Pressen verursachten Schäden an der Zahnhartsubstanz und die Bewertung des Zahnabnutzungsgrades.
Da gegenwärtig keine Therapie zur Heilung oder zur Beseitigung von Bruxismus bekannt ist, zielt die Behandlung vor allem auf den Schutz der Zähne und der Restaurationen, die Reduktion der Bruxismusaktivität und die Linderung von Schmerzen ab. Als Interventionsmaßnahmen werden Aufklärung und Beratung, Schienen, Verhaltenstherapie und Biofeedback empfohlen. Botulinumtoxininjektionen können erwogen werden. Bruxismus gilt als eine Ursache für die übermäßige Abnutzung der Zähne. Ob und wann eine zahnärztliche Intervention eingeleitet werden muss, hängt neben dem Grad der Abnutzung und der Anzahl der betroffenen Zähne auch vom Alter der Patienten, der Abnutzungsgeschwindigkeit und der Art der auslösenden Faktoren ab.
Textquelle: Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und KieferheilkundeBildquelle: renatalferro, pixabay