In einem Positionspapier formuliert der Wissenschaftsrat grundsätzliche Anforderungen an die Medizinerausbildung und gibt Empfehlungen zur Sicherung ihrer Qualität im nichtstaatlichen Sektor. Auch diese Angebote müssten universitären Ansprüchen genüge tragen.
Das staatliche Medizinstudium wurde in den letzten Jahren vermehrt um nichtstaatliche Angebote der Medizinerausbildung nach deutschem und nach europäischem Recht ergänzt. „Im Sinne der Differenzierung ist diese Entwicklung zunächst einmal zu begrüßen und wir sehen durchaus Chancen der nichtstaatlichen Angebote, insbesondere in der innovativen Gestaltung von Lehrplänen und in der gezielten Auswahl von Studierenden“, so der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Professor Manfred Prenzel. „Gleichzeitig sind unsere Erwartungen an eine Ärztin oder einen Arzt bei aller Differenzierung der Ausbildung immer die gleichen: Die bestmögliche Patientenversorgung. Dies zu garantieren, erfordert eine Ausbildung auf höchstem Niveau, auf einem einheitlichen Standard, unabhängig von den sonstigen Rahmenbedingungen der Ausbildung“, so der Wissenschaftsrat. Der Wissenschaftsrat hat nun Grundsätze identifiziert, die diesen einheitlichen Standard umreißen: Wesentlich und leitend sei der Grundsatz, dass die Medizinerausbildung einen universitären Anspruch erfüllen und wissenschaftliche Kompetenzen vermitteln müsse, damit Ärzte die Herausforderungen ihres zunehmend komplexen beruflichen Umfeldes bewältigen könnten, sie evidenzbasierte diagnostische und therapeutische Entscheidungen träfen und lebenslang dazulernen könnten. Dies hat der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Medizinstudiums im Juli 2014 bereits näher dargelegt. Mit dem nun verabschiedeten Positionspapier definiert der Wissenschaftsrat diesen universitären Anspruch und die daraus resultierenden strukturellen Anforderungen an das Medizinstudium: Die Ausbildung müsse in der Gesamtheit von Lehre, Forschung und Krankenversorgung an einer Einrichtung mit einem aktiven Forschungsumfeld und strukturell breit verankerter Forschung stattfinden. Die für die ärztliche Berufsausübung zwingend erforderlichen Kompetenzen (Wissen, Fertigkeiten und Haltungen) müssten durch entsprechend qualifizierte und engagierte Lehrende vermittelt werden. Das Medizinstudium setze zudem die Einbindung von Kliniken voraus, die trotz allen ökonomischen Drucks der Krankenversorgung bereit seien, Lehre und Forschung einen herausgehobenen Stellenwert einzuräumen; dies sei in entsprechenden Verträgen, Governancestrukturen und durch eine entsprechende Ressourcenzuteilung zu sichern.
Damit diese Grundsätze auch umgesetzt werden, empfiehlt der Wissenschaftsrat bestimmte Maßnahmen der Qualitätssicherung im nichtstaatlichen Bereich: Angebote nach deutschem Recht sollten verpflichtend eine Konzeptprüfung und Institutionelle Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat durchlaufen. Grenzüberschreitenden Angeboten nach europäischem Recht solle die Option einer solchen Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat als freiwillige Maßnahme ebenfalls angeboten werden. Zusätzlich seien die Länder gefordert, die europarechtlichen Möglichkeiten mit Blick auf eine inländische Qualitätssicherung auszuschöpfen. Mittel- bis langfristig wären auch konkretere, einheitliche europäische Standards, ein europäischer Kriterienkatalog für die Medizinerausbildung, verankert in der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie, wünschenswert. Da dies ein langwieriger Weg sein dürfte, empfiehlt der Wissenschaftsrat kurz- bis mittelfristig eine Verständigung zwischen den europäischen Medizinischen Fakultäten und Medical Schools: Sie sollten im Austausch miteinander best practices der Medizinerausbildung identifizieren und gemeinsame Standards entwickeln. Dafür bieten die vorgelegten Eckpunkte des Wissenschaftsrates einen wichtigen Orientierungsrahmen.