Für viele Hausärzte ist es nicht leicht, die akute von einer chronischen Borreliose zu unterscheiden. Das führt zu großen Unsicherheiten bei der Wahl der Therapie. Infektiologin Nazifa Qurishi erklärt, worauf Ärzte achten sollten.
Im Interview sprechen wir mit Dr. Nazifa Qurishi über die Schwierigkeiten bei der Diagnose von Infektionen mit Borreliose-Erregern. Sie ist seit 2010 niedergelassene Fachärztin für Innere Medizin mit Zusatzqualifikation Infektiologie und Suchtmedizin in Köln.
Das Interview in schriftlicher Form:
Dr. Nazifa Qurishi: Borrelien werden durch Zecken übertragen. Das ist eine Infektion, die klinisch eine sehr gute frühe Phase hat und entweder ganz klassisch in Form von Exanthemen auf der Haut zu sehen ist, aber auch im Labor gut diagnostiziert werden kann.
Das Problem bei der Labordiagnostik ist: Bakterien können nur sehr aufwendig und teuer diagnostiziert werden, deshalb weicht man von dieser Methode eher ab und macht eine serologische Diagnostik, sprich man bestimmt IgG- oder IgM-Antikörper. Und ein Immunoblot, wenn die Serologie positiv ist, so eine Art Bestätigungstest. Und genau bei der Interpretation dieses Immunoblots und der Serologie kann es schon mal passieren, dass die Diagnostik in die falsche Richtung geht und eine Borreliose nicht richtig diagnostiziert wird.
DocCheck News: Welche Fallstricke gilt es bei der Diagnostik zu beachten?
Dr. Nazifa Qurishi: Eine akute Borreliose kann man ganz gut in Form von zum Beispiel eines Anstiegs der IgG- oder IgM-Antikörper erkennen. Ganz wichtig ist bei der Diagnostik, dass man nicht zu früh Blut abnimmt. Wenn ein Patient zum Beispiel am Wochenende eine Wanderung hatte und dann nach drei Tagen kommt, sieht man eventuell etwas auf der Haut. Aber die Serologie kann nach drei Tagen tatsächlich noch negativ sein.
Wir nennen das ein diagnostisches Fenster oder eine diagnostische Lücke, wo noch nichts positiv getestet ist, aber der Befund schon gravierend ist. Deshalb würde ich den Patienten nochmal kurzfristig neu einbestellen, denn die Zeit, in der die Antikörper dann positiv werden und nachweisbar sind, variiert zwischen sieben oder acht bis zu 30 Tagen.
Insofern ist es immer sehr wichtig, dass man gerade in dieser Phase die Patienten engmaschig betreut und auch wiedersieht. Es gibt allerdings solche Hautveränderungen, die ganz bilderbuchmäßig und sehr klassisch für eine Borreliose aussehen. In diesen Fällen, auch wenn dann die Antikörper noch nicht positiv sind, ist es schon gerechtfertigt, den Patienten zu behandeln. Aber man macht auch nichts verkehrt, wenn man ein bisschen wartet, bis die Borrelien-Serologie auch tatsächlich positiv ist, sprich die Banden nachweisbar sind im Immunoblot, und dann den Patienten behandelt.
DocCheck News: Was ist die größte Schwierigkeit bei der Diagnostik?
Dr. Nazifa Qurishi: Das Problem bei der Diagnostik ist, dass die Serologie lange Zeit positiv bleibt. Und da scheiden sich eben die Geister. Wenn jetzt zum Beispiel der Patient nach drei, vier oder fünf Jahren wiederkommt und eventuell noch einmal eine Borrelien-Serologie durchgeführt wird und die Antikörper immer noch positiv sind, dann können Irritationen entstehen. Und man fragt sich: Ist das eine akute Infektion oder ist das jetzt die Infektion, die der Patient vielleicht vor fünf Jahren hatte? Oder vielleicht hat der Patient eine bereits spontan abgeheilte Infektion. Die antibiotische Therapie war in dem Fall gar nicht notwendig, und der Patient war vielleicht gar nicht beim Arzt. Jetzt kommt dieser Patient aber und hat bereits Antikörper im Blut.
In solchen unklaren Situationen, in denen der Patient gar keine Beschwerden hat, sollte man eine Verlaufskontrolle in fünf bis sechs Wochen machen und nicht sofort in Panik ausbrechen oder das Gefühl haben, etwas zu verpassen. Veränderungen der Immunoblot-Banden und auch in der Serologie können dann einen Hinweis darauf geben, ob der Patient erneut eine Borrelien-Infektion, also eine sogenannte Neuinfektion, hat.
DocCheck News: Wie stehen Sie zum LTT und dem CD57-Test?
Dr. Nazifa Qurishi: Der Lymphozytentransformationstest ist gar nicht notwendig, denn wir haben mit der Serologie und mit Immunoblot eigentlich sehr gute Methoden, um den Erreger nachzuweisen. Besteht der Verdacht auf eine Neuroborreliose, weil der Patient vielleicht bestimmte unspezifische neurologische Symptome hat, sollte auf jedem Fall eine Liquorpunktion durchgeführt werden. Und am gleichen Tag sollte auch eine Serologie abgenommen werden. Denn diese Relation von Blut und Liquor, dieser Index, ist sehr aussägekräftig für das Bestehen einer Neuroborreliose. Und dann kann man entsprechend sehr gut und erfolgreich behandeln: Mit Doxycyclin, Penicillinen oder auch intravenös mit Ceftriaxon.
Je nachdem, ob es sich um eine frühe Borreliose oder eine späte Borreliose handelt, dauert die Behandlung zwischen 10 bis 30 Tage. Das heißt, je nach Erkrankung und Stadien der Erkrankung, ist die Behandlung gut durchführbar und auch erfolgreich. Eine chronische Borreliose finde ich sehr schwierig. Die kommt nur dann vor, wenn die Symptome da sind und die Diagnostik nicht ausreichend durchgeführt worden ist, der Patient sich nicht behandeln lassen hat oder der Arzt nicht an Borrelien gedacht hat.
DocCheck News: Sind Hausärzte im Umgang mit Borrelien unsicher?
Dr. Nazifa Qurishi: Wir kriegen in der Regel Patienten, bei denen der Hausarzt eher unsicher ist bei der Labordiagnostik. Sie wünschen sich, dass ein Infektiologe nochmal richtig drüber guckt und gegebenenfalls eine erweiterte Diagnostik durchführt und den Patienten entsprechend behandelt.
Ich finde das auch in Ordnung, wenn man den Patienten auch mal weiterleitet. Wir haben zum Glück gute und upgedatete Leitlinien sowohl von der Deutschen Gesellschaft für Dermatologie als auch von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, die für jeden Kollegen abrufbar sind.
Bildquelle: Simone Eugster, Wikimedia Commons