Aggressives Zuwarten, Medikamente oder sofort operieren? Bei der Behandlung von Gallensteinen gehen die Meinungen stark auseinander. Und die aktualisierte S3-Leitlinie bringt nicht die erhoffte Klarheit, denn sie bleibt in ihren Therapieempfehlung vage.
Internationale Guidelines gibt es zwar, doch sie werden hinterfragt. Das zeigt auch eine aktuelle Studie aus den Niederlanden. Hier fanden die Autoren heraus, dass durch restriktive Strategien laparoskopische Cholezystektomien zum Teil verhindert werden können. Die Autoren raten Ärzten daher, die grundsätzliche Empfehlung der operativen Behandlung von unkomplizierten Gallensteinen zu überdenken.
Ob das auch andere Bereiche der Therapieleitfäden betrifft? Zeit, einen genaueren Blick in die aktualisierte S3-Gallenstein-Leitlinie zu werfen. Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) bildet hier nun den aktuellen Wissensstand ab.
Gallensteine entstehen häufig bei einem Überschuss an Cholesterin, beziehungsweise einem Verlust an Gallensäure in der Galle. Der Stoff kann dann nicht mehr in Lösung gehalten werden, die entstandenen Gallensteine müssen oft durch invasive Therapien entfernt werden.
Zahlreiche empirische Berichte, aber auch valide Studien, stufen coffeinhaltigen Kaffee als wirksames Prophylaktikum ein. Das belegte bereits vor fast 20 Jahren eine Studie von Leitzmann et al. Über 80.000 Frauen im Alter zwischen 34 und 59 Jahren wurden über einen Zeitraum von 20 Jahren beobachtet. Dabei wurde die Korrelation zwischen Kaffeekonsum und Gallensteinleiden analysiert. Bei 7.811 Frauen wurde im Beobachtungszeitraum eine Cholezystektomie vorgenommen.
„Diese Daten deuten darauf hin, dass der Konsum von koffeinhaltigem Kaffee eine Rolle bei der Prävention der symptomatischen Gallensteinerkrankung bei Frauen spielen kann“, so die Autoren. Kaffee beeinflusst mehrere hepatobiliäre Prozesse, die auch an der Steinbildung beteiligt sind. Die schützende Wirkung könnte darauf zurückzuführen sein, dass Kaffee die Cholecystokinin-Werte anheben kann. Dieses Peptidhormon bewirkt unter anderem eine Kontraktion der Gallenblase und damit deren Entleerung in den Dünndarm.
Eine Frage des Geschlechts
Eine Studie von Zhang et al. untersuchte die Dosis-Wirkungs-Beziehung von Kaffeekonsum und dem Auftreten von Gallensteinen. Eine Fall-Kontroll-Studie und fünf prospektive Kohortenstudien (mit sieben Kohorten) wurden in die Meta-Analyse eingeschlossen. 227.749 Teilnehmern mit insgesamt 11.477 Gallensteinerkrankungen wurden beobachtet.
Der Kaffeekonsum war signifikant mit einem reduzierten Risiko für Gallensteinerkrankungen verbunden (RR, 0,83; 95% CI, 0,76 bis 0,89; I(2) = 35,9%). Je mehr Tassen koffeinhaltigen Kaffees getrunken wurden, desto stärker nahm das Risiko für Gallensteine ab.
Vermutlich spielt hier das Geschlecht eine Rolle. Eine Auswertung der Studienteilnehmer zeigte, dass nur Frauen eine Risikoreduktion mit statistischer Signifikanz erreichten. Möglicherweise spielt bei der Wirkung Estrogen eine Rolle, so die Vermutung einer Studie von Nordenfall et al. Nur bei weiblichen Teilnehmern, die noch nicht in der Menopause waren oder eine Hormonersatztherapie durchführten, sank das Gallensteinrisiko mit dem Kaffeekonsum.
Männer profitierten gar nicht vom Kaffee. Ernüchternd ist aber die knappe Aussage zu Kaffee in der neuen Leitlinie. Dort heißt es schlicht: „Die Studienlage in Bezug auf Kaffee ist kontrovers.“
In einer Studie von Wang et al. wurde der Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und dem Auftreten von Gallensteinen untersucht. Der überraschende Fund: Während sich Alkohol bei nahezu allen Erkrankungen negativ auswirkt, deutete die Untersuchung darauf hin, dass Alkoholkonsum mit einem deutlich verringerten Risiko für Gallensteinerkrankungen verbunden ist.
Für die Meta-Analyse wurden geeignete Studien durch die Suche in den Datenbanken PubMed, Web of Science und Embase identifiziert. Acht Kohortenstudien und 10 Fall-Kontroll-Studien wurden in die Analyse einbezogen.
Sowohl bei Männern (RR=0,57, 95% CI: 0,4-0,8), als auch bei Frauen (RR=0,64, 95% CI: 0,53-0,77) zeigten sich statistisch signifikante Assoziationen zwischen Alkoholkonsum und dem Risiko einer Gallensteinerkrankung. Die Forscher fanden eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung. Das Risiko einer Gallenstein-Krankheit sank um 12 Prozent pro 10 g Alkohol/Tag.
Der Mechanismus dieses Zusammenhangs ist bisher nicht geklärt. Möglicherweise spielt dabei der Effekt von Alkohol auf den HDL-Spiegel im Blut eine relevante Rolle. Denn: Alkohol erhöht den HDL-Anteil im Blut und verringert den Choelsterinanteil in der Galle. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Cholelithiasis.
Selbstverständlich ist das Ergebnis kein Freibrief für ständige Trinkgelage. Die Experten raten zu moderatem Konsum. Dieser ist definiert mit bis zu 20 g Alkohol pro Tag für Frauen und 30 g für Männer. Das entspricht etwa ein bis zwei Gläsern Wein.
Zur weiteren Prophylaxe empfiehlt die Leitlinie den Verzehr von Ölen mit gesättigten Fettsäuren, aber auch Ascorbinsäure, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und insbesondere Nüsse. Ob aber zum Beispiel wirklich die Nüsse das Risiko reduzieren, oder ob sich Nussesser allgemein gesünder ernähren, ist ungeklärt.
Eine generelle pharmakologische Prävention von Gallensteinen wird nicht empfohlen. Dennoch gibt es eine schwache Evidenz für steinpräventive Effekte von Statinen. Für den Cholesterinsenker Ezetimib gibt es aber trotz experimenteller Daten bisher keinen Nachweis einer steinpräventiven Wirkung beim Menschen.
Übergewicht ist zwar ein Risikofaktor, eine zu rasche Gewichtsabnahme steigert aber auch die Prävalenz für Gallensteine. Gefährdet sind besonders Patienten, die sich einer bariatrischen Operation, wie etwa einem Magenbypass, unterzogen haben. Aber auch eine Gewichtsabnahme von über 1,5 kg pro Woche unter forcierter Diät ist bedenklich. Die Galle bleibt dann lange in der Gallenblase, denn der Körper muss wegen der oft fettfreien Ernährung plötzlich kein Fett mehr verdauen. So können aus dem enthaltenen Cholesterin Gallensteine entstehen.
Die Gallensteingefährdung von Risikopatienten kann durch eine zeitlich begrenzte Prophylaxe mit Ursodesoxycholsäure mit einer Dosis von mindestens 500 mg pro Tag über mindestens vier Monate bis zur Gewichtsstabilisierung vermindert werden. Die Cholezystektomie im Rahmen der Adipositaschirurgie sollte allerdings ausschließlich bei symptomatischen Steinträgern erfolgen, so die Leitlinie.
Die Leitline empfiehlt auch einen Zeitpunkt für chirurgische Interventionen. Besonders die ACDC-Studie hat die Leitlinie hier beeinflusst. Die ACDC-Studie (Acute Cholecystitis – Early Laparoscopic Surgery versus Antibiotic Therapy and Delayed Elective Cholecystectomy) ist eine randomisierte, prospektive, offene, parallele Gruppenstudie.
Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip innerhalb von 24 Stunden nach der Krankenhausaufnahme oder der ersten Antibiotikabehandlung operiert. Dem folgte eine verzögerte laparoskopische Cholezystektomie an den Tagen 7 bis 45. Bei einer Infektion wurden alle Patienten mindestens 48 Stunden lang mit Moxifloxacin behandelt. Primärer Endpunkt war das Auftreten einer vordefinierten relevanten Morbidität innerhalb von 75 Tagen.
Die Morbiditätsrate war in der Gruppe mit frühzeitiger laparoskopischer Intervention (304 Patienten) signifikant niedriger als in der Gruppe mit dem verzögerten Eingriff: 11,8 % vs 34,4 %. Die durchschnittliche Verweildauer war in der Gruppe der frühzeitigen Intervention mit fünf Tagen etwa halb so lang wie in der Kontrollgruppe. Auch die Behandlungskosten fielen erheblich niedriger aus.
Die elektive laparoskopische Cholezystektomie ist ein weit verbreiteter Eingriff. Die perioperative Antibiotikaprophylaxe wurde bereits kontrovers diskutiert und ein Vorteil konnte bisher nicht eindeutig belegt werden. In dieser großen Studie zeigte sich jetzt, dass die laparoskopische Cholezystektomie innerhalb von 24 Stunden nach der Krankenhausaufnahme dem konservativen Ansatz hinsichtlich Morbidität und Kosten überlegen ist. „Bei unkomplizierter Cholezystolithiasis mit charakteristischen biliären Schmerzen sollte eine Cholezystektomie erfolgen“, so die Empfehlung in der Leitlinie.
Kernaussage der Studie: Jeder Patient mit einer akuten Cholezystitis sollte möglichst innerhalb von 24 Stunden operiert werden, wenn sein Gesundheitszustand dies erlaubt. Multimorbide Patienten müssen mit deutlich höheren Komplikationsraten und einem längeren Klinikaufenthalt rechnen. „Die Routinegabe einer Antibiotikaprophylaxe ist bei der elektiven laparoskopischen Cholezystektomie bei ‚low-risk’-Patienten nicht notwendig“, so die Leitlinienautoren.
Die Leitlinie gibt auch Empfehlungen zur medikamentösen Therapie der akuten Gallenkolik: Nichtsteroidale Antiphlogistika. Zusätzlich können Spasmolytika (beispielsweise N-Butylscopolamin) eingesetzt werden. Eine weitere Theapieoption, wenn auch off-label-use, ist Nitroglycerin. Es wird als Spray sublingual verabreicht. Bei starken Schmerzen sind Opioide wie Buprenorphin oder Pethidin geeignet. Wichtig: Nicht alle Opiate und Opioide sind bei Koliken geeignet. Morphin beispielsweise steigert den Sphinktertonus und ist daher kontraindiziert.
Artikel von Matthias BastigkeitBildquelle: Nathan Dumlao, unsplash