Bei den aktuellen Temperaturen schwitzen wir alle. Doch es gibt Menschen, die schwitzen selbst im Winter und ohne Sport zu treiben. Sie schämen sich für das Transpirieren. Wieviel Schwitzen ist normal und wo beginnt die Hyperhidrose?
Durch Verdunstung über die Haut sowie die Schleimhäute verliert ein Mensch üblicherweise zwischen 0,3 und einem Liter Flüssigkeit pro Tag. Das passiert ohne sichtbare Schweißbildung, also ohne, dass die Schweißdrüsen aktiv Schweiß produzieren (Perspiratio insensibilis). Erst wenn sich der Körper vor Überhitzung schützen muss, kommen die Schweißdrüsen zum Einsatz.
Gesteuert wird die Regulierung der Körpertemperatur vom Hypothalamus. Er hat die Aufgabe, den Körper auf einer Temperatur von 37 °C zu halten. Wenn Thermorezeptoren melden, dass die Ist-Temperatur höher ist als die Soll-Temperatur, wird die Schweißproduktion angeregt. Der Körper kühlt durch die Verdunstung des Schweißes und die zusätzliche Vasodilatation ab.
Im Extremfall können Erwachsene dabei zwischen 2 und 4 Liter Schweiß pro Stunde produzieren bzw. 10 bis 15 Liter Schweiß am Tag. Die genaue Menge ist abhängig von der körperlichen Aktivität und den klimatischen Umgebungsbedingungen.
Neben dem thermoregulatorischen Schwitzen gibt es aber noch das emotional bedingte Schwitzen. Allerdings werden – im Gegensatz zur Thermoregulation, die vor allem behaarte Haut betrifft –, durch Emotionen oder Stress hauptsächlich Schweißdrüsen im Gesicht, den Achseln, an den Handflächen und den Fußsohlen angeregt. Ein weiterer Unterschied ist, dass Stress eine Vasokonstriktion auslöst – die Blutgefäße verengen, weswegen sich die Haut und der Schweiß kühl anfühlen. Genau lässt sich thermoregulatorisch und emotional bedingtes Schwitzen aber nicht trennen.
Menschen, die an Hyperhidrose leiden, schwitzen im Vergleich zu Gesunden übermäßig viel – und das nicht nur bei heißen Temperaturen. „Zunächst einmal muss man alle anderen Ursachen für das übermäßige Schwitzen ausschließen. Dazu gehören zum Beispiel Infektionen, Diabetes oder Schilddrüsenerkrankungen“, erklärt Dr. Christoph Liebich, Dermatologe aus München. Bei dieser sekundären Form der Hyperhidrose schwitzen die Patienten meist am gesamten Körper, es können Schweißausbrüche und Nachtschweiß auftreten. „Findet man keine Ursache, dann liegt vermutlich eine primäre Hyperhidrose vor“, so Liebich weiter.
Bei dieser Form schwitzen die Patienten oft nur an bestimmten Körperstellen. Dazu zählen vor allem die Achselhöhlen, Handflächen, Fußsohlen und die Stirn. Betroffene schwitzen aber nicht vermehrt, weil sie zu viele oder zu große Schweißdrüsen haben, sondern weil diese überstimuliert werden. Der Erkrankung liegt vermutlich eine komplexe Dysfunktion des sympathischen und parasympahtischen Nervensystems zugrunde.
Hyperhidrose wird daher auch nicht anhand der Schweißmenge, sondern aufgrund der Fehlfunktion des Schwitzens definiert. Schon minimale physische und psychische Belastungen lösen bei Hyperhidrose-Patienten starkes Schwitzen aus, es tritt in vielen Fällen also auch temperaturunabhängig auf.
„Der Leidensdruck kann für Patienten mit Hyperhidrose sehr hoch sein“, erklärt Dr. Liebich. Das reiche von der Vermeidung von Händeschütteln bis zum sozialen Rückzug. Betroffene schämen sich für ihre nassgeschwitzte Kleidung und ihre nasskalten Hände. Schon die Angst vor einem nächsten Schweißausbruch führt dazu, dass die Patienten schweißgebadet sind – ein Teufelskreis.
Doch Dr. Liebich zählt einige Therapien auf, die den Patienten helfen können: „Bei leichter und mittlerer Symptomatik kann man zunächst Aluminiumpräparate ausprobieren.“ Die Leitlinie empfiehlt Cremes oder Deoroller mit Aluminiumchloridhexahydrat in 10 bis 30 %iger Konzentration. Patienten sollten das Mittel nachts anwenden, da sie nachts nicht schwitzen und die Wirkdauer verzögert eintritt.
Soll das Schwitzen nur für einige Zeit oder situationsbedingt reduziert werden, kann der Arzt auch bestimmte Medikamente verschreiben. „Hier bietet sich zum Beispiel Methantheliniumbromid an“, so der Dermatologe. Es agiert als potenter Antagonist an den muskarinergen Acetylcholinrezeptoren und blockiert somit die neuronale Aktivierung der Schweißdrüsen.
„Bei der palmaren und plantaren Hyperhidrose kann man Patienten spezielle Stromwasserbäder empfehlen“, so Liebich. Hierbei handelt es sich um die sogennante Leitungswasser-Iontophorese. Die Patienten legen ihre Hände oder Füße dabei mehrmals die Woche für 20 bis 30 Minuten in ein Wasserbad, durch das Strom fließt. Als Wirkungsmechanismus vermutet man, dass der Strom den Ionentransport im sekretorischen Knäuel der Schweißdrüsen reversibel stört.
Sollten diese Methoden nicht den gewünschten Erfolg bringen, kann man auf die Injektion von Botulinumtoxin A zurückgreifen. Diese zählt zu den effektivsten Methoden, um übermäßiges Schwitzen zu reduzieren. Botulinumtoxin A blockiert reversibel die autonomen cholinergen postganglionären sympathischen Nervenfasern. Der Transmitter Azetylcholin wird nicht mehr freigesetzt und die Schweißdrüse chemisch denerviert. Allerdings muss die Behandlung alle drei bis sechs Monate wiederholt werden. "Man sollte auch – besonders bei der Behandlung der Hände – beachten, dass es in seltenen Fällen zu motorischen Einschränkungen kommen kann. Das muss man mit seinem Patienten besprechen."
„Hilft das alles nicht, kann man auch OPs in Erwägung ziehen“, sagt Dr. Liebich. Die Leitlinie empfiehlt bei der axillären Hyperhidrose subkutane Kürettage-Methoden. Dabei wird die untere Hautschicht, in der die Schweißdrüsen sitzen, teilweise abgetragen. „Jedoch kann es hier zu Wundheilungsstörungen, Hautnekrosen und Hämatomen kommen.“
Eine andere Methode ist die Blockierung der entsprecheneden Nerven. Bei der endoskopischen thorakalen Sympathektomie blockiert der Arzt in einer minimal invasiven Operation den Sympathikusnerv auf Höhe der Brust. Die Übertragung des Schwitzimpulses zu den Händen, den Achseln und/oder zum Kopf wird so unterbrochen. Hier kann es allerdings zum kompensatorischen Schwitzen in anderen Körperbereichen kommen.
In der Hyperhidrose-Leitlinie finden Ärzte verschiedene Therapien mit denen sie ihren Patienten helfen können. Doch viele dieser Behandlungsmöglichkeiten haben Nebenwirkungen. Ob eine Therapie daher angebracht ist und mögliche Nebenwirkungen erträglicher sind als das starke Schwitzen, muss der Arzt zusammen mit seinem Patienten klären.
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