Viele Krankheiten wie Demenz oder Arteriosklerose treten erst spät im Leben auf. Wie lassen sich diese Erkrankungen aufhalten? Indem man das Altern stoppt, vermuten Forscher. Unsere Redakteurin hat bei ihnen nachgefragt, was heute möglich ist.
Das Video in schriftlicher Form:
Hallo, ich bin Anke. Ich bin hier für die DocCheck News beim CECAD Forschungszentrum in Köln. Ich will heute mehr über die Alternsforschung herausfinden.
Die Alternsforschung hat sich ein großes Ziel gesetzt: Sie will die gesunde Lebensspanne des Menschen verlängern. Denn viele Krankheiten wie Demenz, Arteriosklerose oder Krebs treten erst im Alter auf. Forscher vermuten daher, dass diese unterschiedlichen Krankheiten eine gemeinsame Ursache haben, nämlich das Altern an sich.
Anstatt also eine Krankheit nach der anderen therapieren zu wollen, versucht die Forschung an der Ursache anzusetzen. Doch wie lässt sich das Altern in Zukunft aufhalten?
Die Intervention, die universal die Lebensdauer verlängert, ist die sogenannte kalorische Restriktion. Sie funktioniert bei der Bäckerhefe im Fadenwurm, Taufliege, Maus, Ratte sogar bei Hunden funktioniert es offenbar. Eine Verminderung der Kalorienzufuhr kann die Lebensdauer verlängern. Das muss aber sehr klar balanciert werden, denn eine Unterernährung kann natürlich sehr sehr schnell tödlich sein. Hier hat man nun entdeckt, dass es gar nicht so sehr auf die Kalorien an sich ankommt, sondern auf Stress-Antworten, auf Signalwege in den Zellen, die auf die Verminderung der Kalorien reagieren.
Das klingt noch recht theoretisch. Gibt's denn schon ein Medikament, das man einsetzen könnte?
Das ist zum einen das Metformin. Kennt man sehr lange als Typ-2-Diabetes-Medikament, bei dem man herausgefunden hat, dass es zumindest im Tiermodell die gesunde Lebensdauer verlängern kann. Dazu untersucht man jetzt, ob das beim Menschen auch einen Effekt haben könnte. Das zweite, das sich herauskristallisiert hat, ist, dass Rapamycin eine Rolle spielt. Rapamycin kennt man auch schon sehr lange als Immunsuppressor aus der Transplantationsmedizin. Und hier hat sich bei Mäusen zum Beispiel auch gezeigt, dass Rapamycin einen Signalweg hemmt, der auf kalorische Restriktion reagiert und dass es hier auch zu einer Lebensverlängerung kommen kann.
Und wie ist das beim Menschen?
Beim Menschen ist das in diesem Fall etwas komplizierter, weil wir unser Immunsystem extrem brauchen und deshalb versucht man derzeit noch, spezifischere Hemmstoffe zu entwickeln, die beim gleichen Ziel ansetzen, beim TOR, dem Target of Rapamycin, aber weniger Nebenwirkungen haben. Und da könnte sich in der Zukunft in der Tat Interessantes daraus entwickeln, wie man wirklich menschliche gesunde Lebensdauer verlängern könnte.
Bei Würmern und Mäusen verlängern Wirkstoffe wie Metformin tatsächlich die Lebensdauer. Aber so verlockend solche Ergebnisse auch klingen: Von einer Anti-Aging-Pille sind wir noch weit entfernt. Mit Professor Carien Niessen spreche ich über ein besonderes Problem bei älteren Patienten: Die Wundheilung. Ihr Team erforscht unter anderem, wie sich die Barriere-Funktion der Haut im Alter aufrecht erhalten lässt.
Eines der großen Probleme auch für ältere Leute ist: nicht heilende Wunden. Und eigentlich muss man ganz ehrlich sagen: Das ist ein riesiges medizinisches, auch ökonomisches Problem. Und bei vielen von diesen Wunden, die auch wieder assoziiert sind, zum Beispiel mit Typ-2-Diabetes – das ist nicht die einzige Krankheit. Aber wir haben eigentlich noch nicht viel in der Medizin, was wir da wirklich machen können. Wir müssen noch viel besser verstehen: Was ist der Unterschied zwischen nicht heilenden und heilenden Wunden? Und was sind die verschiedenen Beiträge der verschiedenen Zelltypen in der Haut? Wir wissen, dass das vaskuläre Gewebe sehr wichtig ist, aber wahrscheinlich auch das epitheliale Gewebe und auch die Fibroblasten und die Fettzellen nehmen mehr und mehr eine wichtige Rolle ein. Wir müssen herausfinden: Wie läuft diese Interaktion zwischen verschiedenen Zellen ab? Und was macht es aus, dann man eine gesunde Heilung bekommt. Und was macht es aus, dass diese Heilung einfach nicht bis zu Ende abläuft und damit eine offene Wunde entsteht, die dann sehr große Probleme verursacht?
Gibt es da schon klinische Anwendungen?
Ich glaube, ein Problem mit älteren Patienten ist, dass viele von ihnen Comorbidities haben und dass wir das in unseren klinischen Studien noch viel zu wenig berücksichtigen. Die meisten klinischen Studien werden ja nicht mit älteren Leuten gemacht. Wir sind im CECAD derzeit dabei, mit Medizinern zu diskutieren, dass man diesen Aspekt mehr in Betracht ziehen soll. Was wir zum Beispiel aus klinischen Studien übernehmen: Wir haben gemerkt, dass – wenn man bei Mäusen eine Hyperglykämie verursacht – sich die Hautbarriere verändert und das viel früher, als wir gedacht haben.
Und was wir jetzt machen ist, dass wir bei Patienten gucken: Ist das auch so bei Menschen, die einfach nur hyperglykämisch sind, aber noch nicht Typ-2-Diabetes haben, bzw. ist das auch so bei Typ-2-Diabetikern. Dafür gibt es natürlich noch keine klinische Anwendung, die Untersuchung der Barriere könnte aber ein gutes Frühwarnungssystem sein, das auf spätere Komplikationen in der Haut hinweist wie zum Beispiel eine nicht heilende Wunde, die zur Amputation führen könnte. Denn wenn die Barriere nicht gut funktioniert, kriegt man immer eine andere Entzündungsantwort. Dann hat man immer so eine leichte Entzündung die ganze Zeit – nicht spürbar, aber trotzdem ist die ja anwesend. Und das kann natürlich einen großen langfristigen Effekt auf diese Barriere haben.
Die Altersforschung wird durch den demografischen Wandel in Zukunft immer relevanter. Ob sich die Ergebnisse aber im klinischen Alltag anwenden lassen, wird sich erst noch zeigen.
Bildquelle: John Moeses Bauan, Unsplash