Ob Homöopath, Bioresonanzler oder Reiki-Heiler – die Komplementärmedizin bietet jede Menge alternative Heilmethoden. Oft funktioniert diese Zusammenarbeit: Aber wenn Patienten von Bachblüten schwärmen, solltet ihr hellhörig werden.
Nachdem ich mich schon zum Verhältnis zwischen unterschiedlichen Fachärzten geäußert habe, möchte ich mich jetzt auch mal zum Thema nicht-schulmedizinische oder „alternativmedizinische“ Berufe äußern.
Darunter fasse ich jetzt mal ganz grob Heilpraktiker, Osteopathen, Reiki-Heiler, Bioresonanzler, TCMler, Homöopathen und die wahrscheinlich noch 100 anderen Untergruppen, die ich jetzt leider vergessen habe (Entschuldigung dafür), zusammen. Ich werde auch für die Lesbarkeit ab jetzt vorwiegend vom „Alternativmediziner“ schreiben, auch wenn sicher nicht alle Heilpraktiker, Reiki-Praktizierenden oder Homöopathen sich als Alternativmediziner sehen – und es sicherlich auch viele Frauen in diesen Berufen gibt. Und ebenfalls ja: Es gibt von „Alternativmedizin“ bis „Komplementärmedizin“ sicherlich ca. 1.000 Begrifflichkeiten, über die man streiten kann, ohne dass das irgendetwas hilft.
Einige unserer Patienten sind auch bei einem nicht-schulmedizinischen Beruf (vorwiegend Heilpraktiker oder Osteopath) in Behandlung und alles in allem läuft das eigentlich ganz gut und problemlos: Der Patient kommt, man kümmert sich um das geschilderte Problem und der Patient kann jeweils für sich entscheiden, wen er mit dem Problem betrauen möchte. Natürlich hat man unterschiedliche Philosophien, aber solange man sich nicht in die Quere kommt, sehe ich da keine Probleme.
Schwierig wird es, wenn die verschiedenen Theorien überlagert werden. Ich bin zum Beispiel sehr dankbar, wenn der Osteopath den Patienten vorher erklärt, dass die von ihm diagnostizierten Probleme mit der Leberfaszie nicht im Ultraschall oder im Labor sichtbar sind. Gerade als vor ein paar Jahren die Anzahl an Osteopathen plötzlich sprunghaft anstieg, kamen mehrfach Patienten zu uns und baten um eine „Leberdiagnostik“, weil der Osteopath von einem Problem mit der Leberfaszie gesprochen hatte. Oder die, die einen Gallenstein befürchteten, weil der Gallenmeridian bei der TCM-Behandlung blockiert sei.
Ich möchte Patienten nicht unnötig verunsichern. Ich versuche ihnen daher immer zu erklären, dass es gewisse Gedankenkonstrukte gibt, anhand derer man sich orientiert. Und dass diese Gedankenkonstrukte nicht immer anatomischen Strukturen entsprechen müssen. Damit schaffe ich es normalerweise, den Patienten zu beruhigen, ohne dass ich es auf einen Vertrauenskonflikt ankommen lassen muss.
Denn darum geht es ja: Natürlich haben wir unterschiedliche Herangehensweisen. Aber ich glaube nicht, dass es irgendwem hilft, wenn der Patient – der ja meist in beiden theoretischen Konstrukten ein Laie ist – nicht mehr weiß, wem er glauben soll. Das ist meines Erachtens auch das riesige Problem der immer wieder aufkommenden „Schulmedizin vs. Alternativ-Medizin“-Diskussion. Es geht mehr um Misstrauen und Recht-Haben-Wollen als um den Patienten und dessen Wohlergehen. Hey – ich freue mich als Arzt doch riesig, wenn mein Patient mit dem Rauchen aufhört oder es schafft, sein Gewicht zu reduzieren. Ob das jetzt durch ein Gespräch, Akupunkturnadeln oder Bachblüten passiert, ist mir ehrlich gesagt in dem Punkt egal. Dabei gilt für mich: Wer heilt, hat Recht.
Heißt das, dass ich alle Theorien gleich gut nachvollziehen kann? Nein. Es gibt schon Dinge, die ich aus dem Konstrukt der Schulmedizin besser nachvollziehen kann (z.B. die „Faszien“ der Osteopathen, die ja jetzt auch Studien liefern oder die „makrobiotische Ernährung“, die sich mit dem jetzt ja auch schulmedizinisch anerkannten Mikrobiom beschäftigt). Mit anderen hingegen tue ich mich dann auch schwerer.
Ja, es fällt mir immer wieder schwer, wenn Patienten, Freunde oder Nachbarn mich explizit immer wieder nach Homöopathie fragen. Denen sage ich immer dasselbe: „Wenn es für euch funktioniert, ist das gut. Ich persönlich kann es nicht glaubhaft rüberbringen, weil ich nicht nachvollziehen kann, wie es funktionieren soll und auch bisher wenig wissenschaftliche Beweise gesehen habe.“ Wie das in 20 Jahren aussieht? Keine Ahnung. Die Mikrobiom-Forschung ist da eigentlich ein gutes Beispiel. Ich habe irgendwo mal den Kommentar gelesen, dass die Leute, die man vor 10 Jahren als Scharlatane von den Kongressen gejagt hätte, heute die Key-Speaker sind. Deswegen bin ich da vorsichtig. Ich habe schon meine Meinung und versuche, diese zu begründen, aber wenn sich für mich die Evidenzlage ändert, muss ich das auch akzeptieren.
Auch finde ich, dass man dem Patienten bei einer bösartigen Erkrankung schon klar machen muss, was die Studienlage zu welcher Therapie sagt. Und ja, damit fallen bei bösartigen Therapien die meisten alternativ-heilkundlichen Ansätze raus. Zumindest als alleiniger Ansatz (auch wenn sich z. B. ernährungsmedizinisch sicher mal Ergänzungen ergeben). Aber zumindest hier bei uns gibt es da auch wenig Konflikte. Die Alternativmediziner kümmern sich um die Krankheitsbilder, für die sie sich als kompetent empfinden (und das sind normalerweise NICHT maligne Erkrankungen). Beim Rest verweisen sie an uns. Und das klappt gut.
Das Wichtigste ist, finde ich, dass man im Gespräch bleibt. Solange man miteinander redet, kann man auch Gemeinsamkeiten finden – zum Wohle des Patienten. Wenn ich aber den Patienten zwinge zu wählen, muss ich damit rechnen, dass er sich vielleicht auch komplett gegen die Schulmedizin entscheidet. Und das vielleicht auch in Situationen, wo es gefährlich sein kann. Also lieber reden und erklären als schlechtreden und verurteilen. Ich würde mir wünschen, dass das von beiden Seiten so funktioniert. Denn wir wollen doch alle dasselbe: Das Beste für den Patienten.
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