Die Verwendung von Sonnencreme ist im Sommer mittlerweile ein etabliertes Ritual. Doch wie viel bringt es tatsächlich? Ein prüfender Blick auf die Evidenzlage zu Sonnenschutzmitteln.
Alle Hautkrebs-Arten sind Folgen von UV-Strahlung – zu diesem Schluss kommt die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC, International Agency for Research on Cancer). Sie hat hunderte wissenschaftliche Studien ausgewertet. Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass es „ausreichende Evidenz“ zur Karzinogenität gebe. Dabei beziehen sich IARC-Forscher explizit auf die Wirkung von Sonnenlicht sowie Solarien.
Sie ordnen UV-Strahlung unterschiedlicher Wellenlänge (UVA, UVB, UVC) der sogenannten Gruppe 1 laut internationaler Klassifikation zu – der Gruppe mit der besten Evidenz zur Karzinogenität. Daneben gibt es noch die Gruppen 2A („wahrscheinlich karzinogen“), 2B („möglicherweise karzinogen“), 3 (keine Einstufung möglich) und 4 („wahrscheinlich nicht karzinogen“). Deutlich seltener als UV-Strahlung führen Pharmakotherapien (Immunsuppression) oder Strahlentherapien zum nicht-melanozytären Hautkrebs.
Selbst Menschen ohne Vorerkrankung sind in der Pflicht, sich vor Hautkrebs zu schützen. Dazu ein Blick in die S3-Leitlinie Prävention von Hautkrebs: Auch hier wurden hunderte Papers ausgewertet, um evidenzbasierte Aussagen zu treffen – mit 100-prozentigem Expertenkonsens. Das Fazit: Um das eigene Risiko zu minimieren, raten Experten recht naheliegend, die UV-Exposition zu vermeiden. Um die Mittagszeit sollte man vor allem drinnen bleiben, ansonsten ist der Aufenthalt im Schatten ratsam.
Wer in der Sonne unterwegs ist, profitiert zudem von der richtigen Kleidung. „Geeignete Bekleidung ist als individueller Sonnenschutz der Anwendung von Sonnenschutzmitteln vorzuziehen“, heißt es sogar in der Leitlinie. Bei dünnen Stoffen wie Hemden oder Blusen liege der UV-Schutzfaktor allerdings unter 20. Durch eine zweite Kleidungsschicht lässt sich den Autoren zufolge der UV-Schutzfaktor multiplizieren: „Trägt man z. B. ein T-Shirt und ein Hemd übereinander, die jeweils einen UPF von 20 aufweisen, so ist man in dieser Kombination mit einen UPF von 400 effektiv geschützt.“
Sonnenhut und Sonnenbrille gehören mit zur Grundausstattung. Erst an dritter Stelle nennt die Leitlinie Sonnenschutz, sicher sehr zur Überraschung vieler Laien. Auf Basis von sechs hochwertigen Studien formulieren sie folgende Statements:
„Es liegen widersprüchliche Daten dafür vor, ob das Melanomrisiko durch Sonnencreme-Nutzung gesenkt wird“, heißt es in der Leitlinie auf Basis von fünf hochwertigen Studien. Wie kann das sein? Sonnenschutz-Präparate wurden ursprünglich entwickelt, um zu verhindern, dass ein Sonnenbrand entsteht. Sie absorbieren zwar große Teile der UV-Strahlung, aber eben nicht 100 Prozent. Ein Teil kommt trotzdem an die Haut und führt dosisabhängig zu Langzeitwirkungen. Nicht nur der klassische Sonnenbrand ist gefährlich.
Reviews und Meta-Analysen von Beobachtungsstudien mit großen Fallzahlen zeigten, dass die Inzidenz maligner Melanome bei Anwendern von Sonnencreme nicht erhöht, aber auch nicht reduziert ist. In der Literatur finden sich Hinweise aus kleineren Studien, dass Produkte das Melanom-Risiko sogar erhöhen. Menschen, die gerne lange in der Sonne liegen, wiegen sich oft in falscher Sicherheit: Sie nehmen mehr Sonnenbäder oder bleiben länger im Freien, heißt es zur Erklärung. Ob Inhaltsstoffe bzw. deren photochemische Abbauprodukte eine Rolle spielen, ist umstritten.
Sparen kann auch schaden
Anwendungsfehler machen die Sache nicht besser. Produkte mit hohem Lichtschutzfaktor sind teuer, und ein bisschen was draufschmieren reicht doch aus? Von wegen: „Sonnenschutzmittel sollen in einer möglichst dicken Schicht aufgetragen werden“, schreiben die Leitlinien-Autoren. Bei der wissenschaftlichen Bestimmung von Lichtschutzfaktoren arbeiten Labors gemäß europäischer Vorgaben mit 2 mg/cm² Hautoberfläche, das ist eine Menge. „Zur Erreichung des für ein Sonnenschutzmittel angegebenen Lichtschutzfaktors muss ein Erwachsener […] ungefähr 30 bis 40 ml für den gesamten Körper verwenden“, heißt es in der Leitlinie. Das ist etwa ein Fünftel des Inhalts einer handelsüblichen Flasche. Die Autoren ergänzen: „Man schätzt, dass in der Praxis häufig nur ein Drittel bis Fünftel des angegebenen LSFs tatsächlich erreicht wird, was zu einer Überschätzung der Wirkung führt.“
Marketing mit Makel
Apropos Überschätzung: Sonnenhungrige kaufen für ihren Urlaub am Meer gern „wasserfeste“ Produkte, um nicht ständig nachzucremen. „Doch auch Sonnencremes und Sprays, die als „wasserfest“ beworben werden, können beim Baden oder Planschen einen Teil ihrer Schutzwirkung einbüßen“, berichtet die Stiftung Warentest. „Denn selbst, wenn sie nach zweimal 20 Minuten Baden nur noch die Hälfte des ursprünglichen Schutzes bieten, dürfen sie laut internationaler Norm wasserfest heißen.“ Beim Verbraucher erzeuge dies eine „trügerische Sicherheit“. Bleibt als Fazit: 100-prozentigen Schutz bietet nur, die Sonnenexposition zu vermeiden.
Bildquelle: skeeze, pixabay