Ernährung und Nahrungsergänzungsmittel können im Körper mit manchen Arzneimitteln wechselwirken – und zwar auf negative und positive Weise. Vier Punkte, die man beachten muss.
Dass es Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arzneimitteln gibt, ist den meisten bewusst. Sowohl bei der Verordnung, als auch bei der Abgabe in den Apotheken sollte gefragt werden, was denn sonst noch alles an Medikamenten eingenommen wird.
Ernährung und Nahrungsergänzungsmittel dagegen werden meistens ausgeklammert – zu Unrecht. Denn auch sie können im Körper mit manchen Arzneimitteln wechselwirken. Doch nicht immer interagieren diese Gruppen auf negative Weise miteinander. Sie können sich auch zum Wohle des Patienten ergänzen.
Schwierigkeiten, die bei der Einnahme von Arzneimitteln und bestimmten Vitaminen oder Mineralstoffen auftreten, lassen sich grob in vier Gruppen unterteilen:
Stoffe, die im Verdauungstrakt Komplexe bilden, die zu groß sind, um resorbiert zu werden.
Der bekannteste Vertreter dieser Gruppe ist sicherlich Calcium. Die Wechselwirkungen des Minerals sind sogar so weit bekannt, dass viele Laien bei der Abholung eines Antibiotikums in der Apotheke von sich aus fragen, ob sie Milchprodukte dazu essen dürfen. Nur, dass nicht in erster Linie die Milch, sondern das Calcium darin für die Probleme verantwortlich ist – das ist den meisten Patienten nicht klar.
Auch vielen Mineralwässern, Fruchtsäften oder Sojamilchprodukten wird Calcium zugesetzt. Das sollte bei der Abgabe von Medikamenten, die mit Calcium wechselwirken, immer zusätzlich erwähnt werden. Betroffen sind neben den Tetrazyklinen auch Gyrasehemmer (Chinolon-Antibiotika, Cinnoline, Nalidixinsäure, Pipemidsäure, Aminocumarine) und Bisphosphonate (Alendronat, Ibandronat, Risedronat und Zoledronat). Mit einer Komplexbildung reagieren Tetrazykline und Gyrasehemmer auch bei der gemeinsamen Einnahme mit Magnesium, Eisen und Zink.
Grundsätzlich ist daher ein Einnahmeabstand von drei Stunden einzuhalten.Auch der Wirkspiegel von Levothyroxin kann durch Calcium gesenkt werden. Man geht davon aus, dass Calciumcarbonat den Wirkstoff bei niedrigen pH-Werten wie sie im Magen vorliegen adsorbiert.
Ähnlich reagieren Gerbstoffe, die im schwarzen Tee vorkommen. Sie bilden unlösliche Komplexe mit den Antidepressiva Maprotilin, Imipramin oder Clomipramin. Die Gerbstoffe aus Kaffee oder Tee behindern auf diese Weise ebenso die Aufnahme von Arzneimitteln, die Eisen enthalten. Eine Verbindung mit Eisen gehen Oxalate, Phytate und Phosphate aus kohlenhydratreichen Lebensmitteln mit Eisen ein.
Auch Eisen, Zink und Kupfer gehören zu dieser Gruppe. Sie bilden bei gleichzeitiger Einnahme mit Antacida, Eisensulfat und mit L-Dopa Komplexe.
Arzneimittel und Nährstoffe, die sich bei der Resorption entweder stören oder, im Gegenteil, bedingen.
Die essenzielle Aminosäure Phenylalanin hemmt durch die Konkurrenz um das selbe aktive Transportsystem, das für die Resorption und Überwindung der Blut-Hirn-Schranke vonnöten ist, die Resorption von L-Dopa.
Doch auch zu niedrige Eiweißkonzentrationen können zu Verteilungsstörungen aufgrund der Konkurrenz um die Bindungsstellen führen. Viele Arzneimittelwirkstoffe binden im Blut an Proteine. Werden davon zu wenige über die Nahrung aufgenommen, so steigen die freien Wirkstoffmengen im Plasma an, was zu einer beschleunigten Ausscheidung aus dem Körper führt. Hier sollten besonders Patienten, die viele verschiedene Medikamente einnehmen, beobachtet werden.
Inhaltsstoffe von Orangen, Äpfeln und Grapefruitsaft können die Resorption von Arzneistoffen aus dem Darm vermindern, da sie die aktiven organischen Anionentransporter-Peptide inhibieren. Betroffen davon sind unter anderem Atenolol, Ciclosporin, Ciprofloxacin, Fexofenadin, Itraconazol, Levofloxacin und Quetiapin. Grundsätzlich sollten daher alle Arzneimittel am besten mit Leitungswasser eingenommen werden.
Bestimmte Nährstoffe hemmen die Arzneimittelwirkung.
Ein großes Kapitel bei der Resorption von Wirkstoffen spielen die Cytochrom-P450-Enzyme. Sie finden sich vor allem in der Leber und im Dünndarm und spielen eine große Rolle bei der Verstoffwechselung wasserunlöslicher Stoffe. Werden sie durch Nahrungsmittel in ihrer Funktion gestört, können die Wirkspiegel bestimmter Medikamente steigen und fallen.
Der First-Pass-Effekt verschiedener Arzneimittel wird daher verringert, wenn zusätzlich zur Wirkstoffeinnahme auch Grapefruitsaft getrunken oder eine Grapefruitfrucht gegessen wird. Betroffen sind davon verschiedene Wirkstoffgruppen wie Cyclosporin A, Dextromethorphan, Estradiol, Felodipin, Ivabradin, Midazolam, Nifedipin, Simvastatin, Tacrolimus, Terfenadin, Verapamil und Sertralin.
Hartkäse, Innereien und Hefeextrakte können aufgrund ihres Tyramin-Gehaltes den Abbau von Aminen hemmen. Zusammen mit unselektiven MAO-Hemmern eingenommen, steigt daher die Wahrscheinlichkeit an, ein Serotoninsyndrom auszulösen.
Cytochrom-P1A2 metabolisiert sowohl Coffein – das ein schwacher CYPaA2-Inhibitor ist – als auch Clozapin. Daher kann ein starker Coffeinkonsum den Clozapin-Plasmaspiegel erhöhen. Eine verminderte Wirkung von Clozapin fällt dagegen bereits nach fünf Tagen Coffeinkarenz auf. Abrupte Veränderungen des Coffeinkonsums sollten daher dem Arzt mitgeteilt werden.
Eine Wirkverstärkung durch Coffein findet sich aus dem gleichen Grund auch bei einigen Gyrasehemmern (Enoxacin, Ciprofloxacin und Norfloxacin). Erhöhte Zufuhr von Vitamin K kann die Wirksamkeit der Antikoagulanzien Phenprocoumon und Warfarin abschwächen.
Quelle: Uwe Gröber, siehe 1)
Der Genuss von Goijibeeren verstärkt dagegen deren Nebenwirkungen, wie die Verlängerung der Prothrombinzeit und Blutungskomplikationen.
Kalium verringert die Wirkung von Herzglycosiden, die ohnehin eine geringe therapeutische Breite aufweisen.
Die Einnahme höherer Dosen Vitamin B6 beeinträchtigt die Bioverfügbarkeit von L-Dopa durch dessen beschleunigte Decarboxylierung zu Dopamin.
Die mineralcorticoide Wirkung durch Hemmung des Enzyms 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase der echten Lakritze kann zu einem renalen Kaliumverlust führen. Dadurch kommt es besonders unter der Therapie mit kaliuretischen Diuretika, aber auch anderen Antihypertensiva zu Blutdruckanstiegen. Patienten mit erhöhten Blutdruckwerten sollten darauf hingewiesen werden, dass sie auf den Genuss von Lakritzen besser verzichten.
Bestimmte Nährstoffe steigern die Arzneimittelwirkung.
Auch hier begegnet uns wieder das Calcium, das vor allem, wenn es parenteral appliziert wird, die Wirkung von Herzglycosiden und damit ihre Toxizität erhöht. Vitamin C erhöht die Resorption von Eisen und aktiviert Folsäure zu Tetrahydrofolsäure. Auch Vitamin A kann die Aufnahme von Eisen in den Körper fördern.
Die Ansprechrate von Erythropoetin ist in hohem Maße von der Füllung des Eisenspeichers im Körper abhängig. Auch L-Carnitin verringert den Bedarf an Erythropoetin bei anämischen Erkrankungen.
Im zweiten Teil meiner Übersicht wird es um die Auswirkungen bestimmter Wirkstoffe auf die Vitamin- und Mineralstoffversorgung gehen.
Quellen:
Uwe Gröber: „Arzneimittel und Mikronährstoffe“, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2018.
Felicitas Reglin: „Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffen und Mikronährstoffen“, Reglin, R (Verlag), 2009.
Bildquelle: albertstraub, Flickr