Nicht nur bei Chemotherapien kommt es zu Missempfindungen der Kopfhaut. Trichodynien sind auch Vorboten der androgenetischen Alopezie. Wirken 5-α-Reduktasehemmer vielleicht besser, sollten sie früher zum Einsatz kommen?
Krebspatienten leiden während einer Chemotherapie häufig unter Trichodynien, also Missempfindungen der Kopfhaut. Das Spektrum reicht von leichtem Kribbeln oder Jucken bis hin zu Schmerzen. Da Wissenschaftler im Mikroskop keine pathologischen Veränderungen fanden, bewerteten sie Trichodynien lange Zeit als psychische Leiden – ausgelöst durch die Angst, Haare zu verlieren. Heute ist bekannt, dass Botenstoffe wie die Substanz P hinter Missempfindungen stecken. Das Protein spielt eine zentrale Rolle bei der Schmerzübertragung sowie bei Entzündungsprozessen und wird durch Arzneistoffe möglicherweise überexprimiert.
Vera Kanti von der Charité Universitätsmedizin Berlin hat das Phänomen speziell bei Patientinnen untersucht, die wegen Brustkrebs behandelt wurden. Hier erreichten Missempfindungen wie Pruritus oder Trichodynien 18 Tage nach Start der Chemotherapie ein Maximum – genau zum Zeitpunkt, an dem normalerweise der Haarverlust einsetzt. Unter Tamoxifen kam es deutlich seltener zu derartigen Beschwerden, schreibt Kanti. Entsprechende Symptome stehen aber nicht nur mit Behandlungen in Zusammenhang. Sie eignen sich auch als Marker. Älteren Studien zufolge haben 29 bis 34 Prozent aller Menschen mit Haarausfall Trichodynien. Die Missempfindungen treten häufig als Vorboten einer androgenetischen Alopezie auf.
Momentan erhalten Patienten erst bei nachweisbarem Haarausfall 5-α-Reduktasehemmer wie Dutasterid und Finasterid. Ein internationales Forscherteam hat sich jetzt mit erwünschten Effekten und Nebenwirkungen befasst. Das Fazit: Jeder vierte Patient scheint nicht von der Therapie zu profitieren. Ob eine frühere Gabe diesen Wert verbessert, muss noch geklärt werden. So oder so kommt es zu Beeinträchtigungen der Sexualfunktion. Bei zehn Prozent verminderte sich die Libido, und 18 Prozent litten an einer erektilen Dysfunktion. Wissenschaftler halten es für möglich, dass 5-α-Reduktasehemmer Insulinresistenzen, Typ 2-Diabetes, Gefäßerkrankungen und Osteoporose verschlimmern. Weitere Arbeiten stellen einen Zusammenhang mit Angststörungen und Depressionen her. Jedoch ist die Datenlage nicht eindeutig. Wissenschaftler fordern jetzt größere, methodisch hochwertigere Studien, um offene Fragen zu klären.