Viele Läufer denken, dass stark gepolsterte Schuhe sie vor Verletzungen schützen. Oft ist aber das Gegenteil der Fall. Was macht gute Laufschuhe aus? Vier Sportmediziner klären auf.
„Moderne Laufschuhe sind in der Regel eher zu weich als zu hart“, sagt Michael Fritz. Der Facharzt für Allgemein- und Sportmedizin führt eine Praxis in Viersen. Laut einer finnischen Studie geht der Trend bei Laufschuhen in den letzten Jahren zu stark gepolsterten Modellen, um Läufer vor Verletzungen zu schützen. Laufverletzungen sind dadurch aber nicht zurückgegangen, schreiben die Autoren.
Sie sprechen von einem „Shoe cushioning paradox“, denn stark gepolsterte Schuhe führten ihren Untersuchungen zufolge zu einer Steife in den Füßen sowie zu einer höheren Stoßlast. Im Vergleich mit konventionellen Laufschuhmodellen schnitten sie in diesen Bereichen sogar schlechter ab. Allerdings beträgt die Teilnehmerzahl der Studie 12 Personen, das ist viel zu wenig, um von Aussagekraft sprechen zu können.
„Starke Dämpfung führt zu einer Veränderung der Biomechanik. Man setzt eher auf dem Rückfuß auf. Die dadurch entstehenden Bodenreaktionskräfte stehen im Verdacht, Überlastungsverletzungen zu verursachen. Bewiesen ist das aber noch nicht,“ sagt Karsten Hollander, der im Bereich „Interdisziplinäre Sportmedizin im BG Klinikum Hamburg“ tätig ist. Derzeit befindet sich der in Sportmedizin und Biomechanik promovierte Arzt auf einem Forschungsaufenthalt im Spaulding National Running Center der Harvard Medical School.
Wie kauft man denn dann den richtigen Laufschuh? Auf eine Faustregel pochen alle Experten in der Runde: „Am besten die Schuhe am Nachmittag kaufen, da sich unsere Füße am Nachmittag bereits durch die tägliche Belastung etwas ‚vergrößert' haben“, erklärt Carsten Janecke. Er ist Trainer für den Leistungssport Triathlon in Sehnde.
„Ein unbekannter Läufer muss seine Schuhe mitbringen und in ihnen laufen“, sagt Hollander. Nur so lasse sich feststellen, ob ein Läufer den richtigen Schuh trägt. Das ist durch eine visuelle Ganganalyse möglich oder auch durch eine instrumentalisierte auf dem Laufband. Letztere Leistung übernimmt der Patient in der Regel selbst. Sie beinhaltet ein Biomechaniklabor und ein Kamerasystem. Dabei werden Marker an Körperstellen geklebt und über mehrere Kameras detektiert. So entsteht ein 3-D-Modell, das eine exakte biomechanische Analyse ermöglicht, unter dem Laufband befindet sich eine Druckmessplatte. Neuere Entwicklungen mit Hochgeschwindigkeitskameras und „Wearables“ werden in naher Zukunft wahrscheinlich auch die valide Messunge außerhalb des Labors ermöglichen, erklärt er.
„Es ist wichtig, zu prüfen, ob der Sportler seine Fußsohle optimal belastet, oder ob eine Fußaußenüberlastung oder ein Knickfuß vorliegen“, erklärt Jürgen Kosel, Facharzt für Orthopädie und Diplom-Sportlehrer in Köln-Lövenich. Wichtige Kriterien sind ihm zufolge drei Punkte:
es darf keinen Druck auf die Großzehen geben, der Schuh darf den Vorfuß nicht beengen
der Schuh sollte kein Fußbett haben
der Rückfuß muss vom Schuh in einer Normalposition gehalten werden
An dieser Stelle sollte auch die Einlage erwähnt werden, die aus Hollanders Sicht zu häufig und aus den falschen Gründen verschrieben wird. Warum der Einsatz von orthopädischen Einlagen problematisch sein kann, hat er im ersten Teil unserer Laufexpertenrunde erklärt.
Wenn die von den Experten erwähnten Kriterien nicht beachtet werden, komme es zu gesundheitsschädlichen Langzeitfolgen, erklärt Kosel und weist auf Probleme wie Hallux valgus, Nervenschmerzen, Druckstellen und Hämatome hin. Besonders problematisch ist seiner Ansicht nach die Stellung des Rückfußes beim Laufen: „Sportler mit Knickfüßen könnten in einem Normalschuh nicht nur ihre Sprunggelenke, sondern auch die Knie-und Hüftgelenke fehlbelasten, was zu vorzeitigem Gelenkverschleiß und Bänderüberdehnungen führen könnte“, lautet seine Einschätzung.
Kommt ein Patient mit Beschwerden, die mit dem Laufen zusammenhängen, zu Hollander, werden bei der Anamnese unter anderen folgende Fragen gestellt: Seit wann bestehen die Beschwerden, wo sind sie, gibt es Vorerkrankungen oder sonstige orthopädische Probleme, treten sie zum ersten Mal oder bereits wiederholt auf? Auch die Frage nach der Uhrzeit ist wichtig. „Kommen die Schmerzen morgens nach dem Aufstehen? Das spricht eher für Sehnen oder Bänder. Sie erwärmen und 10–15 Minuten Laufen, die Beschwerden lassen dann nach. Wenn es bei Bewegung schlechter wird, liegt oft ein knöchernes Problem vor.“
Laufverletzungsforschung habe allerdings das Problem, Risikofaktoren zu benennen, gibt Hollander zu bedenken, der auch als Arzt im Deutschen Skiverband (DSV) sowie im Bereich Mittel- und Langstreckenlauf beim Deutschen Leichtathletik Verband (DLV) tätig ist. „So kommt etwa Benno Nigg, der seit 40 Jahren in der biomechanischen Schuhforschung tätig ist, zum Schluss, dass man nicht sagen kann, was genau die Laufverletzung auslöst. Oft kommen mehrere Faktoren zusammen, die eine Verletzung auslösen. Am wichtigsten ist, dass der Schuh dem Träger individuell passt – und natürlich, dass die Lauftechnik optimal ist.“
Hier geht es zum ersten Teil der Laufexpertenrunde:
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