Sie verkaufen sich bestens, obwohl die Einnahme selten sinnvoll ist: Richtig, es geht um Protonenpumpeninhibitoren. Fünf Gründe, warum man auf PPI getrost verzichten kann.
Der Magenschutz oder besser gesagt, der Umgang mit ihm, bereitet mir Magenschmerzen. Manche Menschen benötigen Säureblocker, sehr viele Menschen brauchen sie nicht, nehmen sie aber trotzdem. Letzteres schadet dem Körper oft mehr, als es ihm hilft. Mittlerweile häufen sich die Argumente gegen den Einsatz von Protonenpumpenhemmern. Hier meine fünf triftigsten Gründe gegen PPI.
1. Mehr Allergien
Starten wir mit der neuesten Erkenntnis über Protonenpumeninhibitoren. Galateja Jordakieva von der Universität Wien hat kürzlich Daten aus Krankenversicherungsakten analysiert. Sie fand eine Assoziation zwischen der Verordnung von PPI und der späteren Verschreibung von Antiallergika. Erhielten Patienten ein ärztlich verordnetes Magenschutzmittel, war die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass sie in den Folgejahren auch ein antiallergisches Pharmakon erhalten.
Dass die Uni in einer Meldung schreibt, „Magenschutz-Medikamente können Allergien auslösen“, ist mutig. Bekanntlich zeigen Kohorten keine Kausalität. „Die Studie kann aufgrund ihres Designs und der Datenlage keine Aussage treffen, ob Säurehemmung das Entstehen von Allergien begünstigt“, kontert die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Biochemisch lässt sich zumindest eine Hypothese aufstellen. Die Magensäure denaturiert Fremdproteine aus der Nahrung. Ohne solche Mechanismen gelangen potenzielle Allergene weiter in Richtung Darm. Der Sensibilisierung wird Tür und Tor geöffnet.
2. Tablette statt Umdenken
Wer unter saurem Aufstoßen oder Sodbrennen leidet, greift oft zur Tablette, anstatt den eigenen Lebensstil zu überdenken. Alkohol, Nikotin, fettreiches Essen, Übergewicht und wenig Bewegung sind die klassischen Faktoren, die mit der Entstehung von Sodbrennen zusammenhängen. Aus wissenschaftlicher Sicht spricht viel dafür, die Abgabe einzuschränken. Dank des OTC-Switches muss man aber nicht einmal mehr zum Arzt, um gegen die Beschwerden Säureblocker einzunehmen. Und sollten Apotheker oder PTAs allzu intensiv nachfragen, bestellt man die gewünschte Arznei eben online.
3. Mehr Clostridium-difficile-Infektionen
Ähnliche Vermutungen wie Jordakieva zum Wirkmechanismus von PPI hat Raseen Tariq von der Mayo Clinic in Rochester bei Infektionen formuliert. Er fand heraus, dass Protonenpumpenhemmer mit einem signifikant erhöhten Risiko für wiederkehrende Clostridium-difficile-Infektionen in Verbindung stehen. Basis war eine Metaanalyse von 16 Studien mit 7.703 Patienten. „Es kann sinnvoll sein, Säureblocker bei Patienten mit C-difficile-Infektion abzusetzen“, schreibt Tariq. Gleichzeitig rät er, den unnötigen Gebrauch dieser Medikamente einzuschränken, damit es zu weniger Infektionen und letztlich auch zu weniger Kosten komme.
4. Vitamin B12-Mangel
Magensäure schützt nicht nur vor Bakterien. Sie ist auch erforderlich, um Vitamin B12 aus Nahrungsproteinen abzuspalten. Der so genannte Intrinsic Factor ist ein Glykoprotein, das mit dem aus der Nahrung aufgenommenen Vitamin B12 einen Komplex bildet und dadurch seine Resorption ermöglicht. Und die pH-abhängige Resorption über den Intrinsic Factor wird unter PPI ebenfalls beeinträchtigt.
Das ist nicht neu. Ergebnisse einer großen Kohortenstudie erschienen Ende 2013. Jameson R. Lam vom Versicherungskonzern Kaiser Permanente in Oakland wertete elektronische Patientenakten aus. Er verglich 25.956 Patienten, bei denen ein Vitamin-B12-Mangel diagnostiziert wurde mit 184.199 Patienten ohne Defizite. Unter Säureblockern war die Wahrscheinlichkeit für einen Vitamin-B12-Mangel deutlich erhöht.
5. Frakturen
Zuletzt möchte ich auf das Thema Frakturen eingehen. Auch bei der Resorption von Calcium und/oder D-Vitaminen scheint Magensäure von Bedeutung zu sein, vermuten Forscher. Als alternativer Mechanismus wird die Beeinflussung von Osteoklasten (den abbauenden Zellen im Knochen) erörtert. Wie dem auch sei, Ergebnisse aus methodisch hochwertigen Kohortenstudien lassen sich nicht ignorieren. Deshalb hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Firmen vor Jahren aufgefordert, folgenden Warnhinweis in Packungsbeilagen zu ergänzen: „Häufigkeit (gelegentlich): Fraktur der Hüfte, des Handgelenks oder der Wirbelsäule“.
Bleibt als Fazit: PPI werden mit unterschiedlichen Nebenwirkungen in Verbindung gebracht. Mal ist die Datenlage besser, mal schlechter. Und Pillen sind keine Drops. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass Säureblocker die Gastroenterologie revolutioniert haben. Das Skalpell bleibt meist im Schrank: Magengeschwüre lassen sich in den meisten Fällen medikamentös behandeln – inklusive Helicobacter-pylori-Eradikation, falls erforderlich. Magenteilresektionen sind kaum noch erforderlich. Für Patienten bleibt als Rat, PPI nicht länger als zwei Monate ohne gesicherte Diagnose einzunehmen.
Trotzdem ist der Umgang mit PPI problematisch. Zwischen 2008 (1,6 Milliarden definierte Tagesdosen, DDD) und 2017 (3,7 Milliarden DDD) landeten Protonenpumpenhemmer immer häufiger auf ärztlichen Rezepten. Alle Zahlen beziehen sich auf den GKV-Bereich und sind im Arzneiverordnungs-Report 2018 [Paywall] nachzulesen. Was die Sache nicht besser macht: Seit Mitte 2009 ist Omeprazol auch ohne Verordnung erhältlich.
Bildquelle: Pawel Czerwiński, unsplash