Ob vegane Ernährung, Louwen-Diät oder NEM: Die Liste mit Ratschlägen zur Ernährung während der Schwangerschaft ist lang. Wie ich als Gynäkologin hier beratend unterstützen kann.
Früher galt für Schwangere die unsinnige Annahme, sie müssten für zwei essen, damit das ungeborene Kind möglichst gut und ausreichend versorgt sei. Heute weiß man, dass ein gesunder Lebensstil samt ausgewogener Ernährung bereits vor der Konzeption weichenstellend für einen normalen Schwangerschaftsverlauf ist.
Immer wieder gibt es neue Ansätze und Empfehlungen, um den Schwangerschaftsverlauf und die Geburt zu optimieren, beispielsweise die sogenannte Louwen-Diät. Benannt ist sie nach Professor Frank Louwen von der Universitäts-Frauenklinik in Frankfurt. Schwangere sollen demnach sechs Wochen vor der Geburt jene Kohlenhydrate meiden, die den Blutzuckerspiegel rasch ansteigen lassen. Enthalten sind sie in Süßigkeiten, Brot oder Pasta.
Man stellt sich den Mechanismus folgendermaßen vor: In den letzten Wochen vor der Entbindung produziert der Körper vermehrt Prostaglandine, die für die Zervixreifung und die Weheninduktion verantwortlich sind. Prostaglandine besetzen, laut dieser Theorie, dieselben Rezeptoren wie Insulin, das nach kohlenhydratreicher Nahrung vermehrt ausgeschüttet wird. Somit würde die Diät eine stärkere Wirkungsmöglichkeit natürlicher Prostaglandine vermitteln und damit den Geburtsverlauf und die Schmerzintensität positiv beeinflussen. Klingt nicht unlogisch und der Verzicht auf Süßigkeiten ist auch kein Schaden, wie bereits beschrieben. Wissenschaftliche Studien sind mir bisher aber nicht bekannt.
Dass sowohl Übergewicht vor der Konzeption, als auch eine größere Gewichtszunahme in der Schwangerschaft mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden sind, ist in zahlreichen Studien belegt. Adipositas senkt die Fertilität und geht in der Schwangerschaft häufig mit Gestationsdiabetes, Hypertonie, fetaler Makrosomie und Geburtskomplikationen einher. Bereits 5 bis 10 % Gewichtsabnahme bei adipösen Frauen kann die Fertilität und den Schwangerschaftsverlauf positiv beeinflussen. Eine Gewichtszunahme in der Schwangerschaft zwischen 10 und 16 kg gilt bei normalgewichtigen Frauen als ideal, bei adipösen Frauen sollten 10 kg nicht überschritten werden.
Untergewicht ist dagegen mit einer höheren Frühgeburtenrate, Fehlgeburten und niedrigem Geburtsgewicht assoziiert. Für untergewichtige Frauen gibt es keine Empfehlung zur Mindestgewichtszunahme. Das Gewicht steigt besonders ab dem 2. Trimenon und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung geht von einer zusätzlich nötigen Energiezufuhr von 250 kcal/d aus. Im 3. Trimenon wären es 500 kcal/d. Vorausgesetzt ist eine unverminderte körperlicher Aktivität, die aber mit fortlaufender Schwangerschaft rückläufig ist. Eine erhöhte Energiezufuhr ist dann meistens nicht nötig. Reduktionsdiäten während der Schwangerschaft sind nicht zu empfehlen.
Leider ist die Studienlage zur vegetarischen und veganen Ernährung in der Schwangerschaft nicht besonders umfangreich und teilweise widersprüchlich. Vegetarierinnen neigen zu einem Mangel an Eisen, Vitamin B12 und Zink. Besonders nach einer mehrjährigen rein veganen Ernährung kann es durch eine Vitamin-B12-Unterversorgung zu hämatologischen und neurologischen Problemen der Mutter und zu schwerer und dauerhafter Schädigung des kindlichen Nervensystems kommen. Bei der ausschließlich veganen Ernährungsform sind zusätzlich die Werte von Eisen, Zink, Eiweiß und Kalzium kritisch. Im Zweifelfall kann eine Ernährungsberatung und eine Supplementierung der erniedrigten Elemente weiterhelfen.
Auch bei Schwangeren, die tierische Produkte essen, können Supplementierungen sinnvoll sein. Seit Mitte der 1990er-Jahre wird in Deutschland und vielen anderen Ländern eine präkonzeptionelle Gabe von 400 µg Folsäure/d empfohlen, um neurologischen Fehlbildungen vorzubeugen. Wichtig ist der Beginn bereits vier Wochen vor der Konzeption und Weiterführung mindestens über das gesamte 1. Trimenon. Bei späterem Beginn oder anamnestisch bekanntem Neuralrohrdefekt sollte höher dosiert werden.
Zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung sollten Schwangere täglich 100 bis 150 µg Jod einnehmen, da Deutschland Jodmangelgebiet und der Bedarf in der Schwangerschaft erhöht ist. Studien zeigen, dass selbst ein moderater Jodmangel, insbesondere in der Frühschwangerschaft, sich ungünstig auf die kognitive und psychomotorische Entwicklung des Kindes auswirken kann.
Bei Eisenmangel sollte eine gezielte Eisensupplementierung stattfinden, da ein erhöhtes Frühgeburtenrisiko damit assoziiert wird. Schwangere, die nicht regelmäßig fettreiche Meeresfische verzehren, sollten Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA) zusätzlich erhalten. Auch hier wurden bei einem Mangel vermehrte Frühgeburtlichkeit verzeichnet, außerdem gibt es positive Ansatzpunkte bei der fetalen Seh- und Hirnfunktion. Bei mangelnder Sonneneinstrahlung ist eine Vitamin-D-Einnahme zu erwägen. Alle genannten Supplemente betreffen auch die rein vegetarische und vegane Ernährungsform.
Grundsätzlich gelten für Schwangere die gleichen Ernährungsempfehlungen wie für alle gesunde Menschen – mit wenigen Ausnahmen. Schwangere sollen keine rohen tierischen Lebensmittel essen. Um eine Toxoplasmose-Infektion zu vermeiden, ist vor dem Verzehr von nicht durchgegartem Fleisch zu warnen, auch in Form von Rohwurst wie Salami und rohem Schinken. Räucherfisch, Weichkäse, Rohmilchprodukte und ungewaschener Salat sind wegen der Gefahr pathogener Listerien nicht zu empfehlen.
Rohe Eier können Salmonellen übertragen. In der Schwangerschaft gilt aus bekannten Gründen ein ärztliches Alkohol- und Nikotinverbot, das leider oft missachtet wird. Ein moderater Kaffeekonsum ist möglich, 200 mg/d (200ml Filterkaffee entsprechen 90 mg) wird als Grenze gesehen.
Im Erstgespräch am Schwangerschaftsbeginn ist es wichtig, über Verhaltensmaßregeln, Ernährungstipps und möglichen Gefahren zu sprechen. Bewährt hat sich ein Infoblatt mit den dargestellten, wichtigsten Punkten. Die Patientin kann es in Ruhe zu Hause durchlesen und beim nächsten Termin können entstandene Fragen besprochen werden.
Ein Präparat mit sinnvollen Supplementen wird schon bei bekanntem Kinderwunsch empfohlen. Oft sind Schwangere durch die Medien bereits sehr gut informiert und manchmal ist der Fokus eher dahin gehend zu legen, dass Schwangerschaft zwar etwas Besonderes, aber keine Krankheit ist.
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