Salzig, süß, bitter, sauer und umami – das sind die Solisten im Orchester unseres Geschmackssinns. Tritt eine Störung des Geschmackssinns auf, kann die Lebensqualität des Betroffenen erheblich leiden.
Dass der Mensch schmecken kann, macht die Nahrungsaufnahme für ihn zum Genuss. Wenn der Geschmackssinn ausfällt oder teilweise abgeschwächt ist, liegt eine Hypogeusie vor. Das Fehlen der Geschmackswahrnehmung wird Ageusie genannt. Fehlen ein bis drei Geschmacksqualitäten oder werden sie vermindert wahrgenommen, spricht man von dissoziierter A- bzw. Hypogeusie. Dysgeusie ist dagegen eine nicht geschmacksstoffgerechte Wahrnehmung.
Marie-Therese Georgi von der Universität Dresden wollte herausfinden, wie viele Menschen von Dysgeusie betroffen sind. Im Rahmen ihrer Dissertation analysierte die Ärztin die Prävalenz anhand von 4.680 untersuchten Patienten, die sich im Zeitraum von 1998 bis 2011 im medizinischen Zentrum in Dresden vorstellten. 491 davon, also 10,5 Prozent, litten an einer isolierten Störung des Geschmacksinns.
Dem Rest wurde eine isolierte Riechstörung mit Beeinträchtigung der Erkennung des Feingeschmackes zugeschrieben. „Deshalb ist es von großer Wichtigkeit, die Funktion des olfaktorischen und des gustatorischen Systems getrennt voneinander zu testen, und das an der Störung ursächlich beteiligte System zu detektieren und eine exakte Diagnose zu stellen“, so die Medizinerin. Vielfach ist eine Arzneimitteltherapie für Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns verantwortlich.
Die Einnahme von Pharmaka kann den Geschmackssinn multifaktoriell beeinflussen und mit anticholinergen Nebenwirkungen einhergehen. Eine sofortige Beeinträchtigung kann zum Beispiel durch den bitteren Geschmack bestimmter Arzneimittel eintreten. Auch ein starker Eigengeschmack, etwa von penicillinhaltigen Säften, kann uns den Geschmack verderben. Arzneimittel mit parasympatholytischen Eigenschaften mindern die Speichelsekretion und somit die Funktion der Geschmacksknospen.
Hier ist die anticholinerge Risikoskala von Gorzoni et al. hilfreich. Ausgangslage war die Untersuchung von verschriebenen Substanzen, die parasympatholytische Haupt- oder Nebenwirkungen haben. Die Arbeitsgruppe warnt vor einer unkritischen Verschreibung von Substanzen mit starken anticholinergen Nebenwirkungen.
Arzneimittel können alle Facetten des Geschmackssinns beeinflussen. In der Regel geht es vorwiegend um drei Geschmacksgruppen:
Modell nach „Der Arzneimittelbrief“, Arzneimittelinduzierte Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns. AMB 44 (2010) 81
Auf den ersten Blick mag eine Hypogeusie oder Dysgeusie für den Patienten unproblematisch sein. Allerdings ist die Störung mit besonderen Risiken verbunden: Denn wer nicht richtig riechen kann, bemerkt zum Beispiel keinen Brandgeruch. Auch der eigene Körpergeruch wird nicht wahrgenommen. Das kann zu Unsicherheiten im Alltag führen. Und sogar die berufliche Existenz kann durch die geminderte Sinnesleistung gefährdet sein. So sind etwa Köche oder Parfumeure darauf angewiesen, gut schmecken und riechen zu können.
Neben den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren spielen auch Bindungsstellen für Dopamin eine Rolle. Dopaminrezeptorantagonisten, wie z.B. Metoclopramid, können das olfaktorische System beeinflussen. Ein Mangel an cerebralem Dopamin kann zu Parkinson führen. Zahlreiche betroffene Patienten leiden an Geruchs- und/oder Geschmacksstörungen. Ein Dopaminmangel scheint hierfür jedoch nicht die kausale Ursache zu sein.
„Ein nachlassender Geruchssinn kommt bei über 90 Prozent der Patienten im Anfangsstadium mit Morbus Parkinson vor“, so Professor Maurice Curtis der University of Auckland in seiner Studie. Der Wissenschaftler verglich die Nasen von an Morbus Parkinson erkrankten Patienten mit den Riechorganen von Gesunden. Dass durch Glomeruli vereinnahmte Volumen war bei den Parkinsonpatienten nur etwa halb so groß wie das der nicht erkrankten Personengruppe. Die Ursache ist bislang nur unzureichend geklärt.
Die Kommission „Ernährung und Krebs“ der Deutschen Krebsgesellschaft weist darauf hin, dass Geschmacksstörungen eine häufige Nebenwirkung von Chemotherapie und Strahlentherapie im Kopf-, Hals- und Brustbereich sind. In einer Studie von Epstein et al. wurden Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML), multiplem Myelom (MM) und Kopf- und Halskrebs (HNC) auf ihren Geschmackssinn hin untersucht. Die chemische Gustometrie wurde durchgeführt, um die chemosensorischen Eigenschaften zu beurteilen, zu denen süß, sauer, salzig, bitter, umami und würzig gehörten. Es kamen unterschiedliche Scores zum Einsatz und es wurde die Speichelmenge bestimmt.
Bei hämatologischen Fällen traten bei bis zu 60 Prozent Geschmacksstörungen auf. Bei HNC-Patienten betrug die Inzidenz 44 Prozent. Gustometrie-Tests bestätigten die Dysgeusie bei allen untersuchten Patienten. In der Hämatologiegruppe zeigten 80 Prozent der Patienten eine Abnahme der Wahrnehmung des süßen Geschmacks. Keiner der Patienten identifizierte den Umami-Geschmack korrekt.
In der HNC-Gruppe konnten die meisten Patienten den Salzgeschmack nicht erkennen. 66 Prozent der Patienten berichteten von einer geminderten Empfindung bei Speisen mit würzigem Geschmack. Der bittere Geschmack wurde bei einigen Patienten reduziert und bei anderen erhöht oder verändert, während nur ein Patient den Umami-Geschmack identifizieren konnte.
Nach der Behandlung von Geschmacksstörungen berichteten 71 Prozent aller Patienten in der vorliegenden Studie von einer Verbesserung der Geschmacksfunktion. Im Rahmen der Therapie kamen unter anderem Zinksalze zum Einsatz. Die Autoren resümierten, dass am meisten der Geschmack Umami beeinflusst wurde. Das führt dazu, dass die meisten Speisen weniger lecker schmecken als vor der Therapie. Dies kann zur Gewichtsreduktion während einer Chemotherapie beitragen.
Auch wenn Geruchs- und Geschmacksstörungen für den Betroffenen sehr belastend sind, gibt es dennoch eine gute Nachricht. Sind Arzneimittel die Ursache dafür, sind die Beschwerden nach dem Absetzen meist reversibel.
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