Die aktuelle Ausgabe von „medizini“ sorgt bei Apothekern für Unmut. Unter dem Titel „Wie zufrieden bist Du mit Deiner Figur“ werden Kinder aufgefordert, am Selbsttest teilzunehmen. Jetzt boykottieren Kollegen das Magazin - und erinnern sich an standeseigene Alternativen.
Kleine Kinder – gewichtige Probleme? „medizini“, ein Magazin des Wort & Bild-Verlags, richtet sich an Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren. Unter dem Motto „Wie zufrieden bist Du mit Deiner Figur?“ sollen kleine Leser jetzt eine Reihe an Fragen beantworten:
Grund genug für die Post-Apotheke Neckarhausen, einzugreifen. Unter dem Motto „Warum es bei uns im Januar kein medizini gibt“ veröffentlichte Thomas Luft einen Beitrag: „Als Eltern von kleineren und größeren Kindern finden wir es falsch, bereits in diesem Alter Druck in Richtung "Bin ich zu dick?" aufzubauen beziehungsweise den Blick in Richtung Schlankheitswahn zu schärfen." Und weiter: „Der Test arbeitet mit Suggestivfragen, die darauf abzielen, dass sich Kinder (nicht Teenager) Gedanken über die eigene Figur machen. Dadurch wird in unseren Augen eher das falsche Figurbewusstsein gefördert und unbedarften Kindern eingeimpft, dass dies wichtig und richtig sei.“ Besser wäre gewesen, Texte über gesunde Ernährung zu verfassen. „Wir haben uns aus den vorgenannten Gründen dazu entschieden, die Januar-Ausgabe der medizini nicht in unserer Apotheke abzugeben“, so das Team der Postapotheke. Über Facebook und Twitter verbreitete sich ihr Boykott bundesweit. Medien wie Stern, n-tv, Die Welt, Brigitte Mom, die Hamburger Morgenpost sowie die Bild-Zeitung berichteten ebenfalls. Viele Inhaber entschlossen sich, das aktuelle Heft nicht abzugeben, sondern zurückzuschicken.
Vom Gegenwind überrascht, versuchte die Redaktion, Land zu gewinnen. In einer Stellungnahme heißt es: „Der Beitrag will (...) das Bewusstsein dafür schaffen, dass zu viel Beschäftigung mit dem eigenen Körper schädlich sein und zum Beispiel Krankheiten wie Magersucht begünstigen kann.“ Das Heft selbst habe Kinder sehr unterschiedlicher Altersgruppen und damit auch Entwicklungsstände zum Ziel. „Auch wenn sich also ein Thema – wie in jeder Ausgabe – an Schulkinder am Ende der Grundschule oder am Übergang zu weiterführenden Schulen richtet, weiß die Redaktion aus Erfahrung, dass die betreffenden Seiten von den jüngeren Fans kaum oder gar nicht genutzt werden.“ Kindergartenkinder oder Schulanfänger sollten sich „am besten noch gar nicht mit der eigenen Figur beschäftigen“. Man sei aber überzeugt, „dass die Themen Aussehen, Figur und Schönheitsideal spätestens am Übergang zu den weiterführenden Schulen ein Thema sind“. Genau hier solle der Beitrag Teenager sensibilisieren, dass sie sich möglicherweise zu sehr mit ihrem Aussehen beschäftigen. „Dieses Angebot hält die medizini-Redaktion für richtig“, heißt es als Fazit.
Ann-Katrin Kossendey-Koch, bekannt als kritische „Video-Apothekerin“, gibt sich damit nicht zufrieden. Ihrer Meinung nach zeige der Boykott eindrucksvoll, wie leicht es sei, sich über die sozialen Medien zu vernetzen, Inhalte zu teilen und Dinge zu bewegen. Sie schreibt, viele Apotheken scheuten sich allerdings, dem Wort & Bild Verlag endgültig den Rücken zu kehren, um keine Kunden zu verlieren. Eine Option: Seit Jahren gibt es die standeseigene „Neue Apotheken Illustrierte“. „Wir kaufen lieber ‚fremd‘ und lassen uns die Konditionen vordiktieren anstatt mit unserer eigenen Zeitung der Apotheken-Umschau den Kampf anzusagen?“, kritisiert Kossendey. Apothekereigene Medien könnten Patienten nicht nur kompetent zu Gesundheitsthemen informieren. Das Magazin bietet sich auch als Plattform für gesundheitspolitische Themen an.