MEIN KNIFFLIGSTER FALL | Episodenhaft blind auf dem linken Auge, so beschreibt mir die Patientin ihre Symptome. Wie sich herausstellt, handelt es sich um kein banales Problem.
Eine 48 Jahre alte Patientin kommt mit der Angabe von kurzen Episoden von Ausfällen im Sehen des linken Auges. Es handelt sich also um eine Amaurosis fugax. Die augenärztliche Untersuchung zeigt überraschenderweise einen deutlich erniedrigten Zentralarterien-Druck auf dem linken Auge bei sonst unauffälligem Befund.
Da die Patientin wenige Wochen zuvor in einer neurologischen Klinik untersucht wurde – einschließlich MRT des Schädels – nehmen wir mit den Zuständigen dort Kontakt auf. Es wird eine erneute Untersuchung abgelehnt, auch wegen einer Episode von Depressionen. Also rufe ich die nächstliegende Universtätsklinik-Neurologie an. Dort will man mir weiterhelfen, aber erst mit der vorbehandelnden Klinik sprechen.
Danach folgt ein Rückruf: Eine sofortige stationäre Aufnahme wird abgelehnt. Mein Einwand, dass ein erniedrigter Zentralarterien-Druck kein banaler Befund sei, führt zu dem Zugeständnis, die Patientin als Notfall zu schicken. Damit ist die Patientin einverstanden. Am nächsten Tag erfolgt dort eine Angiographie der Hirnversorgenden Arterien. Diagnose: Aneurysma dissecans, Abgang der Arteria Ophthalmica auf der betroffenen Seite.
Es wird eine Markumarisierung durchgeführt und die Symptome der Amaurosis fugax verschwinden. Nach circa drei Wochen zeigt eine erneute Untersuchung, dass der Zentralarteriendruck auf dem betroffenen Auge wieder normal ist. Seitdem hat es keine weiteren Probleme gegeben. Sicher ein ungewöhnliches Ereignis mit einem erfreulichen Ausgang.
Dieser Beitrag ist von Augenarzt Rolf Meyer-Schwickerath. Er hat an unserem DocCheck-Wettbewerb Dein kniffligster Fall teilgenommen: Ärzte sollten von einem Fall erzählen, der sie besonders beschäftigt hat. Uns erreichten viele spannende Beiträge, einer davon ist dieser hier.
Bildquelle: Amanda Dalbjörn, unsplash