Staphylococcus-aureus-Zellen können gut an biologischen und künstlichen Oberflächen haften und Biofilme bilden, die sich kaum bekämpfen lassen. Die Erreger nutzen einen effektiven Mechanismus. Sie sind in der Lage, sich mittels Zellwandproteinen aktiv an eine Oberfläche „heranzuziehen“.
Forscher der Universität des Saarlandes haben früher bereits gezeigt, dass Bakterien der Gattung Staphylococcus besonders stark an wasserabweisenden Oberflächen haften – in der Regel sind dies Kunststoffoberflächen. Als einen der Gründe für die starke Anhaftung wiesen sie Proteine in der Zellwand der Bakterien nach, die sehr einfach Bindungen mit hydrophoben Oberflächen eingehen können. In ihrer aktuellen Studie untersuchten sie nun die genauen Mechanismen beim Andocken eines Bakteriums – am Beispiel von Staphylococcus aureus. Dabei arbeiteten Teams aus den Physik-Lehrstühlen von Professorin Karin Jacobs und Professor Ludger Santen mit Mikrobiologen des saarländischen Universitätsklinikums um Professor Mathias Herrmann zusammen. In experimentellen Versuchsreihen untersuchten die Physiker zunächst die Anhaftung einzelner Bakterien mit Hilfe des Rasterkraftmikroskops. Mit den Ergebnissen konnte das Anhaftungsverhalten der Erreger dann in einem theoretischen Modell nachgebaut werden. „Die Computersimulationen offenbarten einen faszinierenden Anhaftungs-Mechanismus: Wenn sich ein Bakterium an eine hydrophobe Oberfläche annähert, wird es, sobald ein bestimmter Abstand unterschritten ist, von der Oberfläche angezogen beziehungsweise zieht sich selbst an die Oberfläche heran“, erläutert Nicolas Thewes, Erstautor der Studie und Doktorand bei Karin Jacobs. Wie das im Einzelnen abläuft, veranschaulicht Physik-Professorin Jacobs so: „Die Makromoleküle auf der Bakterienzellwand sind thermischen Fluktuationen unterworfen, sie bewegen sich also permanent und verändern dabei auch ihre Länge. Sobald das erste Makromolekül eine wasserabweisende Oberfläche berührt und dort andockt, wird das Bakterium wie von einem Gummiband ein Stück näher an die Unterlage herangezogen. In der Folge gibt es immer mehr Moleküle, die anhaften, und das Bakterium rückt stets ein Stück näher an die Oberfläche heran.“
Diesen Mechanismus der Kontaktaufnahme testeten die Forscher nun in unterschiedlichen Laborbedingungen, beispielsweise, indem sie die Beweglichkeit der bakteriellen Oberflächenproteine einschränkten. „Durch die Zugabe von chemischen Agentien, die gezielt die Proteine auf den Zellwänden angreifen, verloren die Bakterien ihre Fähigkeit zur ‚Klimmzug-Technik‘“, berichtet Nicolas Thewes. „Die eingesetzten Chemikalien zerteilten die Makromoleküle in kleine Abschnitte oder verursachten Quervernetzungen, was dazu führte, dass das Bakterium keine langreichweitig wirksamen ‚Haftarme‘ mehr besaß, mit denen es sich an die Oberfläche heranziehen konnte.“ Mit der Computersimulation habe sich auch nachvollziehen lassen, wie der Anhaftungsprozess bei Staphylococcus aureus verlaufe, sagt Alexander Thewes aus der Arbeitsgruppe von Ludger Santen. So lasse sich der gemessene Kurvenverlauf der Adhäsionskräfte nur nachvollziehen, wenn man verschiedene mechanische Eigenschaften der Makromoleküle ins Modell mit einbaue. Das bedeute, dass es sehr viele verschiedene Adhäsionsfaktoren in der Zellwand geben müsse. „Wir wissen, dass dieses Bakterium ein großes Repertoire an Proteinen und Teichonsäuren hat, mit denen es an unterschiedlichsten Oberflächen – unter anderem auch an künstlichen oder auch natürlichen Herzklappen – anhaften kann“, erläutert Markus Bischoff aus der Arbeitsgruppe von Mathias Herrmann. Modell der Annäherung eines Bakteriums an eine Unterlage: Zuerst heften sich die längsten Zellwandproteine an und ziehen das Bakterium näher an die Oberfläche heran, dann haften auch kürzere Proteine. © Grafik: Thomas Braun, Heidelberg. Wie man aufgrund dieser Erkenntnisse die bakterielle Adhäsion zukünftig kontrollieren könnte, wollen die Forscher aus Saarbrücken und Homburg in weiteren Studien untersuchen. „Außerdem können wir nun eine geeignete Testmethode anbieten, um beispielsweise Antihaftoberflächen auf ihre Tauglichkeit zu testen“, sagt Karin Jacobs. Originalpublikation: Stochastic binding of Staphylococcus aureus to hydrophobic surfaces Nicolas Thewes et al.; Soft Matter, doi: 10.1039/c5sm00963d; 2015