In den Medien, aber auch in der Apotheke werden die Phytotherapie und die Homöopathie gerne als perfektes Duo dargestellt. Warum es unfair ist, die beiden in einen Topf zu werfen.
„Naturheilverfahren und Homöopathie“. So lautet der Titel einer Weiterbildung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). In der Beschreibung heißt es: „In den letzten Jahren steigt das Bedürfnis der Bevölkerung, sich über Arzneimittel der Phytotherapie und der komplementären Medizin zu informieren, kontinuierlich. Den Apothekerinnen und Apothekern wird mit der Weiterbildung im Bereich Naturheilverfahren und Homöopathie eine Qualifikationsmöglichkeit für die sachkundige Beratung zu entsprechenden Arzneimitteln geboten.“
Dies ist nur ein Beispiel von vielen, in dem die Phytotherapie völlig undifferenziert neben der Homöopathie platziert wird, als gehörten die beiden Bereiche zusammen. Wenn man die Begriffe gemeinsam googlet, findet man eine Reihe von Hausärzten, die als Spezialgebiet „Phytotherapie und Homöopathie“ angeben. Auch Apotheken sind hier vorne dabei.
Auf der Website ptaheute.de findet man Artikel wie „Kopfschmerzen: Phytotherapie und Homöopathie in der Selbstmedikation“. So entsteht der Eindruck, es wäre lediglich Geschmackssache, welche der beiden Ansätze man bevorzugt. Für viele Kunden oder Patienten ist es wohl unersichtlich, dass zwischen Phytotherapeutika und Homöopatika gravierende Unterschiede existieren können. Noch einmal zur Klarstellung: Homöopathie ist eine alternativmedizinische Behandlungsmethode, bei der Substanzen in einer extrem hohen Verdünnung („Potenzierung“) eingesetzt werden. Phytotherapeutika sind Wirkstoffe, die aus Pflanzen gewonnen werden.
Während Homöopathie in jedem Fall nicht über den Placeboeffekt hinaus wirkt, trifft dies auf Phytotherapeutika in der Regel nicht zu. Zwischen völlig wirkungslos und einer Leitlinienempfehlung ist alles möglich. Nehmen wir den Hype um Kurkuma. Es gibt zwar zahlreiche Studien, die Hinweise darauf liefern, dass Kurkuma sich auf unterschiedlichste Weise positiv auf den Körper auswirkt, bewiesen ist aber noch relativ wenig. Curcumin steuere extrem viele pharmakodynamische Ziele an, erreiche diese aufgrund der schwachen Pharmakokinetik jedoch nicht, heißt es in einer Arbeit von Heger et al. So oder so sei jedem sein Kurkuma-Shot gegönnt. Egal, ob er nun tatsächlich das Immunsystem stärkt oder nicht. Fataler ist die Situation bei Therapien schwerkranker Menschen, wie am Beispiel der Aprikosenkerne deutlich wird. Immer wieder liest man von Krebspatienten, die versuchen, sich mit dem Aprikosenkern-Extrakt selbst zu behandeln. Das in den Kernen enthaltene Amygdalin ist allerdings vollkommen wirkungslos, wie aus Studien hervorging.
In einer Pflanze die Lösung für alle Probleme zu finden, ist ein Wunschtraum vieler Menschen, der uns noch ewig begleiten wird. In regelmäßigen Abständen wird ein exotisches Wundergewächs entdeckt und als Allheilmittel gefeiert. Die Hoffnung ist manchmal endlos, während die wissenschaftliche Evidenz schwindend gering oder gar nicht vorhanden ist. Das kann harmlose, aber auch dramatische Konsequenzen haben.
Es gibt aber auch vielversprechendere Naturstoffe. Dazu gehören unter anderem das ätherische Mischöl Myrtol und das in Eucalyptus enthaltene Cineol (Wir berichteten). Der aktuellen S2-Leitlinie zu Rhinosinusitis zufolge wurden beide Naturstoffe „doppelblind bei akuter, nicht purulenter Sinusitis in zwei methodisch hochwertigen Studien getestet. Im Vergleich zu einem Placebo mit Nasentropfen wurden die Symptome signifikant gebessert.“ In gewissen Fällen konnte durch die Anwendung von Myrtol auf die Behandlung mit Antibiotika verzichtet werden, lautet ein Statement der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde zur Leitlinie. „Es bestehen daher Hinweise für symptomlindernde und kurative Wirkungen von Myrtol und Cineol bei akuter, nicht bakterieller Rhinosinusitis“, so das Fazit.
Zwar sind Studien wie diese rar, meist klein und weisen in der Regel Schwächen auf. Trotzdem: Es gibt eine Reihe an Argumenten, die deutlich machen, dass man die Phytomedizin und die Homöopathie nicht als Einheit betrachten kann. Das zeigt schon allein die Tatsache, dass es bei einer Medikamenteneinnahme Wechselwirkungen mit bestimmten Pflanzen wie zum Beispiel Johanniskraut zu beachten gibt oder dass Menschen allergiebedingt von bestimmten Gräsern Ausschlag bekommen.
Interessante Erkenntnisse gibt es auf dem Gebiet immer wieder. So kamen etwa vor einigen Jahren Heidelberger Forscher zu dem Ergebnis, dass durch eine Kombination von Antibiotika mit Vanillin selbst nur noch schwach wirksame Antibiotika dazu in der Lage waren, multiresistente Bakterien abzutöten.
In Pflanzen enthaltene Stoffe dienen in vielen Fällen als Ausgangspunkt für synthetisch hergestellte Arzneimittel. Nehmen wir Aspirin® als Beispiel: Salicylsäure ist in ätherischen Ölen und als Pflanzenhormon in den Blättern, Blüten und Wurzeln verschiedener Pflanzen enthalten. Ursprünglich wurde der Wirkstoff durch die oxidative Aufbereitung von Salicin gewonnen, das in der Weidenrinde enthalten ist. Mittlerweile erhält man Acetylsalicylsäure durch die Kolbe-Schmitt-Reaktion aus industriell hergestellter Salicylsäure. Morphin wird hingegen noch heute aus Opium, dem getrockneten Milchsaft des Schlafmohns (Papaver somniferum), gewonnen. Der Morphinanteil bei Opium liegt bei etwa zwölf Prozent.
Pflanzen müssen nicht, können aber eine starke Wirkung entfalten. Für den Menschen kann sie positiv sein, aber auch giftig oder sogar tödlich. Wie jeder weiß, landet man mindestens im Krankenhaus, wenn man Tollkirschen oder Eisenhut verzehrt.
Bildquelle: delfi de la Rua, unsplash