„Narkosegase sind ein Klimakiller“, sagt Dr. Albrecht. Er führt eines der wenigen „grünen“ Krankenhäuser in Deutschland. Was unterscheidet eine klimafreundliche Klinik von anderen?
Deutschlands Kliniken sehen ganz schön alt aus, wenn man einen Blick auf den Energieverbrauch wirft. Klimafreundlich sind die Häuser nämlich ganz und gar nicht. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: Auch in Deutschland gibt es bereits einige „Green Hospitals“. Was läuft dort anders?
Um herauszufinden, welche Kliniken hierzulande klimafreundlich arbeiten, rief der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) im Jahr 2001 das Gütesiegel „energiesparendes Klinikum“ ins Leben. Das Siegel soll an Kliniken gehen, die durch besondere Leistungen beim Klimaschutz hervorstechen wie etwa „durch Investitionen in energiesparende und energieffiziente Technik, Gebäudedämmung und andere klimarelevante Maßnahmen wie die Motivation zu klimafreundlichem Nutzerverhalten.“ Dabei werden zwei Ziele verfolgt: den CO2-Austoß zu senken und Kosten zu sparen.
Mittlerweile haben bereits 46 Kliniken in Deutschland das Gütesiegel vom BUND erhalten, darunter zum Beispiel die Karl-Jaspers-Klinik in Niedersachsen, das Klinikum Lüdenscheid in Nordrhein-Westfalen oder das Vinzenz von Paul Hospital Rottweil in Baden-Württemberg. Bei etwa 1.400 Krankenhäusern in Deutschland sind knapp 50 grüne Kliniken eine überschaubare Gruppe, aber immerhin ein Anfang. Wie kann man sich so ein klimafreundliches Krankenhaus vorstellen?
Um einen Einblick zu bekommen, haben wir mit Dr. Matthias Albrecht gesprochen. Er leitet das Evangelische Krankenhaus Hubertus in Berlin, das als erste Klinik mit dem Gütesiegel vom BUND ausgezeichnet wurde. Bekanntlich steigen die Energiekosten Jahr für Jahr. Genau hier begann alles beim Berliner Krankenhaus. Es war an der Zeit, alte Technik zu modernisieren. Als ersten, wesentlichen Baustein des Konzepts nennt er das Blockheizkraftwerk. Bei der Kraft-Wärme-Kopplung entsteht mechanische Energie zur Stromgewinnung. Gleichzeitig lässt sich Wärmeenergie nutzen, um die Gebäude zu heizen. „Im nächsten Schritt haben wir die Steuerung weiter verbessert, damit nur Aggregate laufen, die wirklich benötigt werden.“
„Man muss in neue Technik investieren, um intelligente Steuerungssysteme zu etablieren“, so Albrecht weiter. Genau hier liegt bei vielen Häusern das Problem. Gelder fließen in die Medizintechnik. CTs und MRTs sind auf dem neuesten Stand. Was sich hinter den Kulissen in der Haustechnik abspielt, sehen Patienten nicht. Betreibern fehlt das Budget für Investitionen. Albrecht und sein Vorgänger haben einen Weg aus dem Dilemma gefunden, um das Blockheizkraftwerk zu finanzieren.
Beim Energiespar-Contracting übernimmt der industrielle Vertragspartner alle Leistungen – von der Planung und Umsetzung bis zum Controlling. Er garantiert dem Betreiber dabei – je nach Rahmenbedingungen – Einsparungen in einer bestimmten Höhe. Das Klinikum muss wiederum monatliche Zahlungen leisten, benötigt aber keine größeren Summen oder Kredite. „Dadurch senkte unser Haus seinen Energieverbrauch um 7 Prozent, was 7.500 Tonnen weniger Kohlendioxid entspricht“, fasst Albrecht zusammen.
Energiespar-Contracting im Überblick, Grafik: Gerthm/Wikipedia
Das „Green Hospital“-Konzept beschränkt sich nicht nur auf Energie. „Ein weiteres Ziel war, den Wasserverbrauch zu senken“, berichtet Albrecht. Sein Haus sammelt Regenwasser und nutzt es nach entsprechender Aufreinigung für die Feuerlöschanlage, aber auch für Steckbeckenreinigungsautomaten. Auch der Park wird mit Regenwasser versorgt, um Trinkwasser zu sparen.
„Müll ist auch stark im Fokus“, so der Geschäftsführer. Ein Großteil sei normaler Hausmüll, etwa als Kartonagen im Wareneingang. Zusammen mit weiteren Partnern ist Albrecht jetzt im Dialog mit Herstellern. Denn so mache Verpackung sei überdimensioniert – selbst der kleinste Stent werde in großen Kartons verpackt. „Außerdem versuchen wir, Einmalartikel nach Möglichkeit zu vermeiden“, erzählt der Geschäftsführer. Diese seien zwar günstiger im Einkauf, ökologisch aber deutlich schlechter. Das Krankenhaus resterilisiert Medizinprodukte nach Möglichkeit, um den Ressourcenverbrach zu minimieren. Konkret nennt Albrecht Herzkatheter für elektrophysiologische Untersuchungen.
Damit nicht genug: Manche Narkosegase haben – von der Allgemeinheit kaum beachtet – auch das Zeug zum Klimakiller. Desfluran hat ein relatives Treibhauspotential von 2.540 (Kohlendioxid: 1) und verbleibt rund 14 Jahre in der Atmosphäre. Im Vergleich dazu liegt das relative Treibhauspotential von Sevofluran bei 130, und das Gas ist etwa 1,1 Jahre in der Atmosphäre stabil. Der Unterschied ist immens. „Wir versuchen, soweit medizinisch sinnvoll, Inhalationsnarkosen zu verringern, aber auch neuere Gase mit besserem Profil einzusetzen“, berichtet Albrecht. Außerdem arbeite er gemeinsam mit einem Forschungsinstitut an Technologien, um ausgeatmete Narkosegase zu adsorbieren, aufzubereiten und wiederzuverwenden.
Typische Stromfresser wie CTs oder MRTs stehen bei Albrecht ebenfalls im Fokus: „Wenn wir stärker überlegen, welche Untersuchungen medizinisch wirklich erforderlich sind, leisten wir auch einen Beitrag für wenige Emissionen.“ Letztlich fließen alle Einzelmaßnahmen im Konzept des „Blue Hospital“ zusammen: einem Krankenhaus mit ökologischen, als auch ökonomischen Optimierungen. Effizienz und Qualität steuern alle Prozesse, um die Patienten- und Personalzufriedenheit zu steigern und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.
Pilotprojekte auf Länderebene gibt es durchaus. So gibt es etwa das sogenannte „Green Hospital Bayern“. Bei dieser Initiative setzt Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) auf umfangreiche Maßnahmen, um Krankenhäusern in Bayern beim Senken des Energieverbrauchs zu unterstützen.
Trotzdem seien grüne Krankenhäuser weitestgehend auf sich alleine gestellt, findet Albrecht. „Die Länder haben als Geldgeber bislang keinen Schwerpunkt auf den nachhaltigen Bau und Betrieb gesetzt“, so der Geschäftsführer. Er hofft auf neue Förderrichtlinien und Kriterien für die Auftragsvergabe, damit die Hersteller von Großgeräten Energieeffizienz mehr in ihren Fokus stellen.
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Bildquelle: Norbert Tóth, unsplash