Lange Gesichter in Darmstadt: Nachdem sich Evofosfamide in Studien als Flop erwiesen hat, verfolgt Merck grundlegende Indikationen nicht weiter. Jetzt wird die Luft dünn. Seit mehr als zehn Jahren warten Investoren auf eine neue Cashcow.
Deutliche Worte von Luciano Rossetti, Leiter der weltweiten Forschung und Entwicklung des Biopharmageschäfts von Merck: „Wir haben entschieden, Evofosfamide in den Indikationen Bauchspeicheldrüsen- und Weichteilkrebs nicht weiterzuverfolgen.“ Zudem wolle man eine rasche Entscheidung über das weitere Entwicklungsprogramm von Evofosfamide fällen. Der Darmstädter Konzern verabschiedet sich vom größten Hoffnungsträger.
Evofosfamide stammt ursprünglich aus den Labors von Threshold Pharmaceuticals, einer US-amerikanischen Firma. Bereits im Jahr 2012 hatte Merck Vereinbarungen zur weltweiten Entwicklung und Vermarktung des Arzneistoffs paraphiert. Investoren reagierten nach der jetzt verkündeten Hiobsbotschaft enttäuscht. Die Aktien fielen in der Spitze um 2,5 Prozent auf ein Drei-Wochen-Tief von 90,22 Euro. Laut Analysen von UBS hätte Evofosfamide Spitzenumsätze von 400 Millionen Euro bei Weichteilsarkomen und 800 Millionen Euro bei Pankreaskarzinomen einbringen können.
Jetzt ist guter Rat teuer. Evofosfamide war das am weitesten entwickelte Medikament des Darmstädter Konzerns. Ähnliche Blockbuster wie das bereits 2003 zugelassene Erbitux sucht man vergebens. Dagegen gab es Rückschläge beim Krebsmedikament Tecemotide und beim Multiple-Sklerose-Präparat Cladribin, das in Deutschland als Zytostatikum bekannt ist. Zu Cladribin liegt der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) immerhin eine Absichtserklärung auf Zulassung vor. Gleichzeitig blicken Analysten mit Spannung auf Avelumab, ein Präparat zur Immuntherapie bei Krebs. Vereinbarungen mit Pfizer sind unter Dach und Fach. Eine erste Zulassung soll im Jahr 2017 erfolgen.
Gleichzeitig setzt Merck auf neue Köpfe. Stefan Oschmann, bislang stellvertretender Vorstandschef, wird Karl-Ludwig Kley im April 2016 beerben. Kley selbst geht in den Ruhestand. Davon kann Oschmann nur träumen. Wird es ihm gelingen, das Pharmageschäft wieder zu altem Glanz zu verhelfen? Ob er stärker auf hausinterne Entwicklungen setzt oder Innovationen wie sein Vorgänger extern zukauft, ist noch nicht bekannt.