Die Produktion von induzierten pluripotenten Stammzellen kann durch die Entdeckung eines Schranken-Faktors, der den Prozess bislang erschwerte, deutlich effizienter umgesetzt werden. Die Unterdrückung des CAF-1-Komplexes ermöglicht es, iPS-Zellen in nur vier Tagen herzustellen.
Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) werden als vielseitige Ressource in der biomedizinischen Forschung und für die Gewebezüchtung genutzt. Ihre Herstellung ist langwierig und erfolgt nach komplizierten Protokollen, was ihrem Nutzen Grenzen setzt. Forscher vermuten schon seit langem, dass sogenannte „Schranken“-Faktoren die Umwandlung von normalem Gewebe in Stammzellen blockieren. Die genaue Identität und Wirkungsweise dieser Faktoren blieb bisher jedoch weitgehend ungeklärt. Auf der Suche nach diesen Faktoren konnten Wissenschaftler am Vienna Biocenter (VBC) und an der Bostoner Harvard-Universität auf neue genetische Screening-Methoden zugreifen, die am VBC entwickelt wurden. Anfang 2014 fanden sie sich zu einem Team aus Expterten für Screening-Verfahren in der Stammzellbiologie, Krebsforschern und Stammzellforschern zusammen.
Auf der Suche nach den Schranken-Faktoren konzentrierte sich das Team um Ulrich Elling vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie GmbH Wien (IMBA) auf sogenannte Chromatin-Regulatoren, also die Grundlage für das „epigenetische Gedächtnis“ einer Zelle. „Zellen haben ein gewisses Maß an Erinnerung”, erklärt Johannes Zuber, Krebsforscher vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie. „Beispielsweise weiß eine Hautzelle, dass sie eine Hautzelle ist, auch nachdem die Yamanaka-Faktoren eingebracht wurden. Wir wollten herausfinden, welche Chromatin-Faktoren dieses Gedächtnis aufrechterhalten und was die Bildung von iPS-Zellen verhindert.” Um diese Frage zu beantworten, nutzte das Team eine Genbibliothek mit 615 bekannten Chromatin-Regulatoren und entwickelte ein Testverfahren, um all diese Faktoren zu prüfen. Die Ergebnisse waren überraschend deutlich: unter den 615 Genen gab es vier eindeutige Treffer und nur einer davon war bereits als Schranken-Faktor bekannt. Unter den neu entdeckten Faktoren sind CHAF1A und CHAF1B, die den CAF-1-Komplex (chromatin assembly factor 1) bilden, sowie UBE2I (ubiquitin-conjugating enzyme E2I). Genaue Tests dieser Gene zeigten: Hatte man bisher durch Ausschalten bekannter Schranken-Faktoren eine drei- bis viermal höhere Ausbeute an iPS-Zellen erzielt, so steigert die Unterdrückung von CAF-1 oder UBE2I den Erfolg um das 50- bis 200-fache. Daneben beschleunigt die Abwesenheit von CAF1 den Prozess enorm. Während die Produktion von iPS-Zellen normalerweise etwa neun Tage dauert, konnten die Forscher erste iPS-Zellen bereits nach vier Tagen entdecken.
„Der CAF-1-Komplex stellt sicher, dass die Tochterzellen nach einer Zellteilung ihr epigenetisches Gedächtnis behalten“, erklärt Elling. „Die Gedächtnisinhalte sind an Histon-Proteinen kodiert, um die sich das DNA-Molekül schlingt. Wenn wir CAF-1 blockieren, können die Tochterzellen ihre DNA nicht mehr auf die gleiche Weise um die Histone wickeln und verlieren die entsprechende Information. In diesem Zustand reagieren sie sensibler auf Signale von außen und können leichter manipuliert werden.“ Mit der Entdeckung von CAF-1 identifizierten die Wissenschaftler einen Komplex, der es erlaubt, das Gedächtnis der Zellen zu löschen und neu zu schreiben - ein lang erwarteter Durchbruch in der Stammzellforschung. Das Team konnte zeigen, wie die Unterdrückung des CAF-1-Komplexes aus der schwierigen Prozedur der Stammzellen-Gewinnung eine relativ einfache Methode macht. Doch der Nutzen der neuen Entdeckung geht möglicherweise weit über diese Anwendung hinaus. Laut den Autoren könnte CAF-1 eine Art Universalschlüssel sein, mit dem das Reprogrammieren von Zellen bei Erkrankungen oder Gewebeschäden gelingen kann. „Im besten Fall sind wir mit dieser Erkenntnis nun in der Lage, Zellen nach Belieben zu modellieren“, so Josef Penninger vom IMBA. Originalpublikation: The histone chaperone CAF-1 safeguards somatic cell identity Sihem Cheloufi et al.; Nature, doi: 10.1038/nature15749; 2015