Auslandsreisen, vor allem in tropische Länder, bergen das Risiko, selbst zu erkranken – und antibiotikaresistente Keime nach Europa einzuschleppen. Eine Dissertation hat die Wirksamkeit tropenmedizinischer Beratung untersucht und deckt Verbesserungsbedarf auf.
Immer mehr Menschen sind weltweit auf Reisen unterwegs – nicht nur im Urlaub, sondern auch für Studien- oder Arbeitsaufenthalte. Das erhöht nicht nur das Risiko, selbst krank zu werden, sondern auch die Gefahr, neue Krankheitserreger in das Herkunftsland einzuschleppen. Ein besonderes Problem, wenn es sich um antibiotikaresistente Erreger handelt. Eine Dissertation an der reisemedizinischen Klinik der Universität Umea in Schweden hat nun untersucht, wie gut eine reisemedizinische Beratung das Erkrankungsrisiko der Reisenden senken kann. Dabei ging es auch um die Fragen, wie gut die Ratschläge befolgt werden und welche Faktoren das individuelle Risiko beeinflussen – Aspekte, die zur Verbesserung reisemedizinscher Beratungen beitragen könnten. In zwei Studien befragten Martin Angelin und seine Kollegen 1.698 bzw. 1.059 Probanden, die sich an der reisemedizinischen Klinik beraten ließen. Zwei Drittel der Befragten berichteten nach der Reise, die medizinischen Ratschläge befolgt zu haben.
Dabei hing das Risiko für gesundheitliche Probleme im Ausland stark von individuellen Faktoren ab. So zeigte sich, dass jüngere Reisende (unter 31 Jahren) sich weniger stark an die Beratung hielten und während der Reise mehr Risiken eingingen. Dazu gehörte unter anderem auch ungeschützter Geschlechtsverkehr. Zugleich wurden die jungen Leute öfter krank als Reisende über 30 Jahre. Und sie hatten ein erhöhtes Risiko, in Verkehrsunfälle verwickelt zu werden. Auch zwischen Frauen und Männern wurden Unterschiede deutlich: Frauen nahmen bei vergleichbaren Reisezielen mehr Impfungen in Anspruch als Männer, insbesondere gegen die Japanische Enzephalitis. Darüber hinaus ließen sich bei einem weiter entfernten Reiseziel (Thailand) mehr Menschen gegen Hepatitis A impfen als bei einem nahe gelegenen Reiseland (Türkei) – obwohl die Erkrankung in beiden Ländern gleich verbreitet ist und sich zwischen 2004 und 2014 sogar deutlich mehr Reisende in der Türkei mit Hepatitis A angesteckt haben als in Thailand. „Die Ergebnisse machen deutlich, dass verschiedene Gruppen eine unterschiedliche Risikowahrnehmung und Risikobereitschaft haben“, sagt Angelin. „Offenbar schätzen Männer das Risiko, auf einer Reise zu erkranken, geringer ein als Frauen. Und junge Menschen sind risikobereiter als ältere. Diese Aspekte sollten bei der reisemedizinischen Beratung berücksichtigt werden.“ So sollten Wege gefunden werden, um auch risikofreudige Menschen zu motivieren, sich so gut wie möglich vor Krankheiten zu schützen. Zudem sollte verstärkt darauf hingewiesen werden, wie wichtig ein ausreichender Impfschutz auch bei näher gelegenen Reiseländern ist.
Ein überraschendes Ergebnis von Angelins Studien: Wer die reisemedizinischen Empfehlungen befolgt hatte, wurde ebenso häufig krank wie jemand, der sich nicht an die Ratschläge gehalten hatte. Der Effekt war dabei vor allem auf eine hohe Rate an Reisedurchfällen zurückzuführen. Der fehlende Unterschied könnte an Faktoren liegen, die ein Reisender selbst nicht beeinflussen kann, meint Angelin – etwa an einer schlechten Hygiene in Restaurants. „Dennoch sollten wir die bisherigen reisemedizinischen Empfehlungen kritisch überprüfen, um herauszufinden, welche Ratschläge wirklich relevant sind“, sagt der Mediziner. Dass eine Beratung durchaus nützlich ist, zeigt eine aktuelle, groß angelegte Studie. Hier war die Beratung mit geringeren Erkrankungsraten bei Malaria, akuter Hepatitis und HIV assoziiert. Allerdings trug sie nicht zu einer signifikanten Verringerung von Reisedurchfällen bei.
Zielgruppe einer weiteren Untersuchung Angelins waren Studenten, die im Rahmen ihres Studiums ins Ausland gehen. Diese hatten im Vergleich zu Urlaubreisenden ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Probleme, ergab die Studie: Über die Hälfte wurde während des Auslandsaufenthalts krank. Zugleich verhielten sich die jungen Leute fern von zu Hause besonders risikoreich: Ein Drittel neigte zu riskantem Alkoholkonsum, und viele lernten einen neuen Sexualpartner kennen – wobei ein Drittel ungeschützten Geschlechtsverkehr hatte. Besonders risikofreudig waren Studenten aus dem Gesundheitsbereich – obwohl sie vor Abreise mehr gesundheitsbezogene Informationen erhalten hatten. „Möglicherweise hat ihnen das medizinische Wissen ein falsches Gefühl der Sicherheit vermittelt“, sagt Angelin. Wie wichtig – aber auch schwierig – ein bestmöglicher Schutz vor Reiseerkrankungen ist, zeigt eine Untersuchung am Zentrum für Reisemedizin der Universität Zürich. Darin ging es um Reisende mit besonderen gesundheitlichen Risiken, wie ältere Menschen, schwangere und stillende Frauen und Menschen mit Vorerkrankungen. Diese haben ganz ähnliche Reiseziele und Reisestile wie die übrigen Reisenden, zeigt die Studie. So reisten viele Schwangere und stillende Mütter in Regionen mit Malaria- oder Gelbfiebervorkommen – obwohl eine Impfung bzw. Prophylaxe bei ihnen problematisch ist. „In solchen Fällen ist die Beratung eine echte Herausforderung – ähnlich wie bei sehr jungen und sehr alten Reisenden“, schreiben die Autoren.
Ein weiteres Problem internationaler Reisen betrifft die ganze Bevölkerung: Das Einschleppen antibiotikaresistenter Bakterien. So sind Auslandsaufenthalte ein wichtiger Risikofaktor für die Besiedelung des Darms mit antibiotikaresistenten Erregern. Mit diesem Thema befasste sich Angelin in einer weiteren Teilstudie. Demnach wurde ein Drittel der untersuchten Medizin-Studenten beim Auslandsaufenthalt Träger antibiotikaresistenter Bakterien (sogenannter Extended-Spectrum-Betalaktamase-produzierender Enterobakterien, kurz ESBL-PE). Das Risiko hing dabei vom Reiseland ab, und davon, ob jemand während der Reise mit Antibiotika behandelt worden war. Besonders hoch war das Risiko nach Aufenthalten in Indien und Südostasien. „Für den Träger antibiotikaresistenter Keime sind die Risiken oft minimal“, erläutert Angelin. „Aber durch vermehrte Antibiotikaresistenzen in den Rückkehrländern steigt das Risiko für empfindliche Menschen, an solchen Erregern zu erkranken.“ Die Arbeit mit Patienten im Ausland war dagegen kein Risikofaktor für eine Besiedlung mit ESBL-PE. Aus den Ergebnissen leite sich daher die Empfehlung ab, unnötige Antibiotikabehandlungen bei einem Auslandsaufenthalt zu vermeiden, schreiben die Autoren.
„Zusammenfassend zeigen unsere Ergebnisse, dass derzeitige reisemedizinische Empfehlungen umfassend und kritisch überprüft werden sollten“, sagt Angelin. „Dadurch könnte die reisemedizinische Beratung für Urlaubsreisende und Studenten verbessert werden.“ Zum Beispiel sollte neben der Beratung über Krankheiten auch über die Gefahr von Verkehrsunfällen, erhöhtem Alkoholkonsum und ungeschütztem Sex im Ausland informiert werden. Zugleich sei es wichtig, die bisherigen Kenntnisse und Einstellungen des Reisenden zu Gesundheitsrisiken zu erfassen, betont ein Forscherteam um Karin Leder von der Monash University in Melbourne. „Reisemedizinische Berater sollten lernen, wie sie Risiken verständlich kommunizieren können“, so die Wissenschaftler. „Zudem sollten sie auf die individuelle Risikowahrnehmung und Risikotoleranz der Reisenden eingehen, um sie so gut wie möglich zu motivieren, gesundheitliche Risiken zu verringern.“ Sinnvoll könnte es zum Beispiel sein, die mündliche Beratung durch schriftliches Material – etwa mit Zahlen oder Graphiken zum Erkrankungsrisiko – zu ergänzen. Und bei jüngeren Reisenden könnte es von Vorteil sein, Risiken und die Vorteile vorbeugender Maßnahmen auf neue Weise zu vermitteln, so Angelin – etwa in Diskussionsgruppen oder über soziale Medien.