Männer, die Sex mit Männern haben, schützen sich mit Tenofovir plus Emtricitabin „on demand“ vergleichsweise zuverlässig vor HIV-Infektionen, fanden Wissenschaftler heraus. Diese Strategie könnte sich zum weiteren Instrument der HIV-Prävention mausern.
In Deutschland leben rund 83.400 Menschen mit HIV oder AIDS, berichtet das Robert Koch-Institut. Verglichen mit früheren Jahren nehmen mehr Menschen antiretrovirale Präparate ein und sind damit kaum mehr infektiös. Das ist die gute Nachricht. Andererseits bleibt die Zahl an Neuinfektionen mit 3.200 (2014) nahezu konstant. Deshalb suchen Ärzte und Apotheker nach weiteren Bausteinen wie der Präexpositionsprophylaxe (PrEP) mit Tenofovir plus Emtricitabin.
Drei methodisch hochwertige Untersuchungen älteren Datums zeigen, dass die Strategie prinzipiell funktioniert. Bei der iPrEx-Studie sanken Neuinfektionen um 42 Prozent, bei der PrEP-Studie waren es 75 Prozent, und bei der PROUD-Studie sogar 86 Prozent. Ein grundsätzliches Problem ist die niedrige Adhärenz vieler Probanden, was wünschenswerte Effekte zunichte macht. Deshalb gelang es mit der FEM-PrEP-Studie nicht, einen signifikanten Mehrwert zu zeigen. Teilnehmer, die sich an Einnahmeschemata hielten, waren zu 92 Prozent geschützt. Jetzt wollten Forscher der Agence nationale de recherches sur le sida et les hépatites virales (ANRS) wissen, ob antiretrovirale Medikamente direkt beim Geschlechtsverkehr eine Alternative darstellen.
Sie rekrutierten 400 HIV-negative Männer, die Sex mit Männern haben und als besonders gefährdet galten. Dazu zählte beispielsweise ungeschützter Geschlechtsverkehr. Probanden erhielten randomisiert entweder Tenofovir plus Emtricitabin als Fixkombi oder Placebo. Die Wirkstoffe selbst haben eine rasche Bioverfügbarkeit. In beiden Gruppen instruierten Ärzte ihre Teilnehmer, zwei bis 24 Stunden vor geplantem Sex zwei Tabletten einzunehmen. Weitere Gaben sollten 24 beziehungsweise 48 Stunden danach erfolgen. Nach 9,3 Monaten waren im Placebo-Arm 14 Neuinfektionen aufgetreten, verglichen mit zwei Fällen unter Verum. Die Autoren sprechen von einer 86-prozentigen Schutzwirkung. Gleichzeitig kritisieren sie einmal mehr die mangelnde Adhärenz. Beide Teilnehmer im Verum-Arm, die anschließend HIV-positiv waren, hatten 58 beziehungsweise 60 von 60 Tabletten wieder an die Studienleitung zurückgegeben. Trotz der guten Ergebnissse bleiben einige Aspekte offen.
Ist das Dosierungsschema wirklich schon optimal? Und besteht der erwünschte Effekt bei weniger als 15 Tabletten pro Monat? Diese Menge nahmen Probanden im Schnitt ein. Bleibt noch, zu klären, ob Medikamente „on demand“ auch langfristig schützen. Diese Fragen werden sich erst durch weitere Arbeiten klären lassen. Bereits jetzt bewerten die Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG) und die Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte für die Versorgung HIV-Infizierter (dagnä) PrEP als „weiteres Instrument zur Präventionsarbeit“.