Mithilfe einer neuen Technik der Strukturaufklärung konnte der Grundbaustein eines Bakterienskeletts bis ins atomare Detail dargestellt werden. Die Erkenntnisse zum untersuchten Bactofilin könnten zum Ansatzpunkt für neue Antibiotika werden.
Das erst vor fünf Jahren entdeckte Bactofilin findet man unter anderem im Bakterium Helicobacter pylori. Während man früher davon ausging, dass Bakterien über kein stabilisierendes Zytoskelett verfügen, weiß man heute, dass sie von komplexen Architekturen durchzogen werden.
Durch Bactofilin erhält Helicobacter pylori seine schraubenförmige Gestalt, mit der sich das Bakterium durch die schützende Schleimschicht der Mageninnenwand bohren kann. Die einzelnen Bactofilin-Moleküle polymerisieren im Inneren der Bakterien spontan zu feinsten Fasern und höher geordneten Strukturen. Dabei spielt die Beta-Helix, die man nie zuvor in einem Zytoskelett gefunden hatte, eine wichtige Rolle. Die Bactofilin-Moleküle ähneln in ihrer Form Spiralnudeln mit sechs Windungen, bei der Polymerisation lagern sie sich weiter zu langen, extrem dünnen Fasern aneinander. Die Untersuchung solcher Faserproteine ist eine Herausforderung für Strukturbiologen, da sie sich weder in Flüssigkeit lösen noch auskristallisieren lassen, wie es für die gängigen Untersuchungsmethoden notwendig ist. Die beiden Studien-Erstautoren, Chaowei Shi und Pascal Fricke, setzten daher eine am Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) entstanden Weiterentwicklung der Festkörper-NMR ein. Das Besondere an der Festkörper-NMR besteht darin, dass die Probe im Magnetfeld sehr schnell rotiert, um die Bewegungen gelöster Moleküle zu simulieren. Mit Hilfe von Bactofilin entwickeln Helicobacter-Bakterien (in blau) ihre typische Schraubenform, die es ihnen erlaubt in die Magenschleimhaut einzudringen. Dort können sie Entzündungen und Geschwüre auslösen. Die Strukturaufklärung von Bactofilin könnte einen Ansatzpunkt für die Entwicklung dringend benötigter neuer antibakterieller Substanzen darstellen. © Barth van Rossum, FMP
Da man nun die exakte Form der Bactofilin-Bausteine und ihre chemischen Eigenschaften kennt, kann man nach kleinen Molekülen fahnden, die die Polymerisierung der Fasern stören. Auf diese Weise könnte man Wirkstoffe entwickeln, die spezifisch bestimmte Bakterien abtöten. Die Bactofilinfasern durchziehen dabei nicht nur das Innere von Helicobacter – im harmlosen Caulobacter crescentus bilden die Fasern sogar eng verwobene Matten aus. Diese Matten sind das Fundament für einen langen Stiel, mit dem die Bakterien sich an Oberflächen anheften oder Nahrung aufnehmen können. „Alle Vorgänge in lebenden Organismen werden letztlich von Proteinen angetrieben, und um zu verstehen, wie sie funktionieren, müssen wir ihre Strukturen kennen“, sagt Adam Lange. Der Biophysiker möchte künftig die Kombination verschiedener Techniken vorantreiben. „Auch auf dem Gebiet der Kryoelektronenmikroskopie gab es in den letzten Jahren beeindruckende Durchbrüche, hier wollen wir Kooperationen bilden“, sagt Lange. Originalpublikation: Atomic-resolution structure of cytoskeletal bactofilin by solid-state NMR Chaowei Shi et al.; Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.1501087; 2015