„Den Umgang mit Kontrastmitteln würde ich derzeit als hysterisch bezeichnen“, findet ein Radiologe. Patienten haben Angst vor möglicherweise gesundheitsschädlichen Substanzen. Ist das wirklich übertrieben?
Aus Angst vor Komplikationen lehnen Patienten die Kontrastmittelgabe bei bildgebenden Verfahren häufig ab. Denn manche Substanzen können die Nieren schädigen, insbesondere wenn der Patient bereits eine eingeschränkte Nierenfunktion aufweist. Doch ohne Kontrastmittel sind bildgebende Verfahren oft nur wenig aussagekräftig oder gar unmöglich. Ist die Angst vor Kontrastmitteln gerechtfertigt?
„Die Gefahr ist definitiv deutlich geringer als angenommen“, erklärt Prof. Dr. Florian Wolf gegenüber DocCheck. Er ist stellvertretender Leiter der Abteilung für Kardiovaskuläre Bildgebung und Interventionelle Radiologie am Allgemeinen Krankenhaus (AKH) Wien. Sein Kritikpunkt: „Den Umgang mit Kontrastmitteln würde ich derzeit eher als hysterisch bezeichnen.“
Durch übertriebene Ängste und überstrengen Regeln in vielen Instituten füge man Patienten definitiv mehr Schaden zu, als dass man ihnen nütze, so Wolf. Im ersten Anlauf verzichten Ärzte auf die Substanzen. „Oft werden die Untersuchungen dann nochmals mit Kontrastmittel gemacht“, sagt Wolf. „Der Patient wird zweimal der Bestrahlung ausgesetzt, nur weil beim ersten Mal auf Kontrastmittel verzichtet wurde.“
Besser wäre in der Situation, auf die Untersuchung komplett zu verzichten und eine Alternative zu suchen oder Patienten an ein Krankenhaus zu verweisen, anstatt ambulant zu arbeiten. Hier kann man Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion optimal auf die Kontrastmittelgabe vorbereiten und nachbetreuen. Auch bei fraglichen oder auch erwiesenen Kontrastmittelallergien sind Kliniken aufgrund ihrer Möglichkeiten die bessere Wahl.
Iodhaltige Kontrastmittel verändern den Blutfluss durch die Nieren und Flüssigkeitsströme in den Nierenkanälchen und sie können auf Nierenzellen direkt toxisch wirken. Doch Studien zeigen inzwischen, dass Patienten nach Kontrastmittelgabe nicht häufiger unter Nierenschäden leiden als Patienten, bei denen dieselben Eingriffe oder Untersuchungen ohne Kontrastmittel durchgeführt wurden.
So gibt Roxana Mehran von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, in einem Übersichtsartikel beim Thema Nierenschädigung Entwarnung. Sie zitiert Daten einer Metaanalyse mit 25.950 Patienten ohne renale Vorerkrankungen. In den Gruppen mit und ohne Gabe iodhaltiger Kontrastmittel war die Zahl an akuten Nierenschädigungen ähnlich (6,4 Prozent versus 6,5 Prozent). Dialysepflichtig wurden 0,3 Prozent. Zwar sieht die Autorin ein „geringes Risiko“, rät aber gleichzeitig, Nutzen und mögliche Risiken gegeneinander abzuwägen.
Doch welche Bedeutung haben Kontrastmittel in der Praxis überhaupt – und welche Alternativen gibt es? „In der Regel werden Kontrastmittel gegeben, um den Weichteilkontrast zu verstärken“, so Wolf. „Beispielsweise wäre die Leber in einer nativen Computertomographie ohne Kontrastmittel grau ohne wesentliche Kontrastunterschiede.“ Erst nach Kontrastmittelgabe könne man die Gefäße oder mögliche Tumoren und Metastasen erkennen. „Dasselbe gilt für unser Hirn – auch hier sieht man in der CT ohne Kontrastmittel nur relativ wenig“, ergänzt der Experte. Erst durch geeignete Substanzen gelinge es etwa, Metastasen darzustellen.
Wolf: „Im MRT ist Weichteilgewebe auch ohne Kontrastmittel sehr gut zu differenzieren – daher müssen wir hier viel seltener mit Kontrastmittel arbeiten, verglichen mit dem CT.“ Gewisse Veränderungen könne man aber auch hier nur mit Kontrastmittel erkennen oder differenzieren. „Die Kontrastmittelgabe erlaubt etwa eine genauere Bestimmung der Läsion wie einen Lebertumor versus eine gutartige Raumforderung in der Leber.“ Doch es gibt Alternativen. „Falls kein CT-Kontrastmittel gegeben werden kann, etwa aufgrund von Allergien oder eingeschränkter Nierenfunktion, spielt neben dem MRT der Ultraschall eine große Rolle.“ Ansonsten könne man eine native Untersuchung, also eine Darstellung ohne Anwendung von Kontrastmittel, versuchen. In der Angiographie kann man bei sehr stark eingeschränkter Nierenfunktion auf Kohlendioxid als Kontrastmittel ausweichen.
Welche Substanzen sich überhaupt als Kontrastmittel eignen, erklärt sich anhand der Physik. Atomkerne mit hoher Dichte, wie Iod oder Barium, absorbieren mehr Röntgenstrahlung und verstärken den Kontrast. Sie zählen zu den röntgenpositiven Röntgenkontrastmitteln. Im Unterschied dazu hat gasförmiges Kohlendioxid eine erhöhte Strahlendurchlässigkeit. Es zählt zu den röntgennegativen Kontrastmitteln. Ähnliche Prinzipien findet man auch bei der MRT: Elemente mit vielen ungepaarten Elektronen in der Hülle, etwa Gadolinium, verstärken Signale. Sie werden „Weißmacher“ genannt. „Schwarzmacher“, etwa Eisenoxid-Partikel, schwächen Signale ab.
„Iodhaltige, intravenös zu verabreichende Kontrastmittel werden in der Computertomographie sehr häufig eingesetzt, ebenso bei Nierenröntgen“, sagt Wolf. „Auch bei angiographischen Verfahren sind iodhaltige Kontrastmittel, die intravenös oder intraarteriell appliziert werden, unerlässlich.“ Im Vergleich dazu würden bariumhaltige Kontrastmittel oral oder rektal kaum noch verwendet. Stattdessen arbeiten Ärzte vor allem mit Gastroskopien, Koloskopien oder Untersuchungen im CT.
Gadoliniumhältige Kontrastmittel benötigen Radiologen für MRT-Untersuchungen, insgesamt aber viel seltener als in der Computertomographie. Wolf erklärt: „Gerade im gesamten muskuloskelettalen Bereich ist es nur selten notwendig, Kontrastmittel zu verwenden.“ Bei Untersuchungen der Bauchorgane sei dies öfter erforderlich. Auch bei der Gefäßdarstellung mittels MRT oder bei bestimmten Untersuchungen im Gehirn kämen Substanzen wie Gadolinium häufig zum Einsatz.
Noch ein Blick auf Gadolinium, ein Element mit wissenschaftlicher Kontroverse: Reichert sich die Substanz im Gehirn an? Auf der Basis von Risikobewertungen hat die European Medicines Agency (EMA) Zulassungen für mehrere linear gebaute Verbindungen widerrufen. Makrozyklische, also komplex gebaute Moleküle, mit Gadolinium sind davon nicht betroffen.
Speziell Gadotersäure, ein laut EMA-Analysen weniger risikoreiches Molekül, soll in Deutschland öfter eingesetzt worden sein als medizinisch erforderlich. Die Vorwürfe, Ärzte hätten sich beim Einsatz dieser Kontrastmitteln bereichert, schlugen hohe Wellen, bestätigten sich letztlich aber nicht. DocCheck berichtete.
Dazu sagt Prof. Wolf: „Die mögliche Ablagerung von Gadolinium im Gehirn zeigt, dass auf jeden Fall jede Kontrastmittelgabe sorgfältig geprüft werden muss, was derzeit auch zumindest in Österreich der Fall ist.“ Generell werde vor allem im niedergelassenen Bereich eher zu wenig als zu viel Kontrastmittel verabreicht. „Falls möglich sollten auf jeden Fall zyklische Gadolinium Verbindungen verwendet werden, da die deutlich stabiler sind als die linearen Verbindungen“, bestätigt der Experte.
Sein Fazit: „Radiologen wissen sehr genau, wann Kontrastmittel zu verabreichen ist und wann nicht – und sie handeln entsprechend, da sie ja dann die Untersuchung auch befunden müssen und das ist nur gut möglich, wenn hier entsprechend richtig vorgegangen wurde.“
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