Die im Gehirn gebildeten Aβ-Peptide können über die Blut-Hirn-Schranke entsorgt werden, dieser Abtransport nimmt aber mit fortschreitendem Alter ab. Dann aggregieren die Aβ-Peptide im Gehirn, werden toxisch und beeinträchtigen so die Lern- und Erinnerungsfähigkeit des Gehirns.
Bislang gibt es für die fortschreitende Alzheimer-Erkrankung weder eine Heilung, noch ist die Entstehung der Erkrankung vollständig verstanden. Wissenschaftler des Instituts für Pathobiochemie der Universitätsmedizin Mainz haben nun neue Erkenntnisse über die molekulare und biochemische Funktion der Blut-Hirn-Schranke bei der Entstehung der Alzheimer-Erkrankung gewonnen: Wenn die im Gehirn gebildeten Aβ-Peptide in Ermangelung eines geeigneten gerichteten Transports nicht aus dem Gehirn in die Blutbahn gelangen, dann aggregieren diese im Gehirn, werden toxisch und beeinträchtigen so die Lern- und Erinnerungsfähigkeit des Gehirns. Für die Alzheimer-Krankheit sind bisher nur symptomatische Therapieansätze verfügbar. Sie können das Fortschreiten der Erkrankung geringfügig verzögern, aber nicht den degenerativen Verlauf der Erkrankung beeinflussen. Die Forschung an der Universitätsmedizin Mainz soll dazu beitragen, neue Strategien zur Früherkennung und Prävention der Erkrankung zu entwickeln. Ihr Ansatzpunkt ist die sogenannte „Amyloidhypothese“. Grundlage dessen ist die Erkenntnis, dass lösliche Eiweißfragmente, sogenannte Aβ-Peptide, im Gehirn eine wichtige Rolle bei der Entstehung und dem Fortschreiten der Alzheimer-Erkrankung spielen.
Die Alzheimer-Erkrankung zeichnet sich histopathologisch durch die Ablagerung von Amyloidpeptiden in unlöslichen Aggregaten im Hirngewebe der Patienten aus. Aβ-Peptide werden durch Spaltung eines zelleigenen Proteins, des Amyloid-Vorläuferproteins (APP), gebildet. Hierbei werden durch Enzyme Peptide unterschiedlicher Länge erzeugt. Laut der Amyloidhypothese ist eine Anhäufung der längeren Aβ42-Peptide im Gehirn ursächlich für den bei der Alzheimer-Erkrankung beobachteten Verlust von Nervenzellen. Ablagerungen des Amyloid-Beta-Proteins im Gehirn können markiert und mit einem Fluoreszenzmikroskop sichtbar gemacht werden. © Universitätsmedizin Mainz Bei der Frage, ob, in welcher Menge, wie und warum sich die längeren Peptide im Gehirn ansammeln, rückt die Blut-Hirn-Schranke in den wissenschaftlichen Fokus. Sie hat eine wesentliche Funktion bei der Aufrechterhaltung der Homöostase im Gehirn. Insbesondere dient sie dem Schutz des Gehirns, indem sie als natürliche Barriere den freien Übertritt von Substanzen in das Gehirn bzw. aus dem Gehirn in die Peripherie reguliert und das unkontrollierte Eindringen potentiell schädlicher Stoffe verhindert.
Aβ-Peptide können über die Blut-Hirn-Schranke entsorgt werden, diese Entsorgung nimmt aber mit fortschreitendem Alter ab. Wissenschaftler der Arbeitsgruppe „Molekulare Neurodegeneration“ am Institut für Pathobiochemie der Universitätsmedizin Mainz haben sich unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Claus Pietrzik in einem aktuellen Forschungsprojekt der Frage gewidmet, was passiert, wenn der Abtransport aus dem Gehirn in die Blutbahn gestört ist. Dazu entwickelten sie ein neues Tiermodell, das über eine spezifische Inaktivierung eines Transporters (LRP1) in den Endothelzellen der Blut-Hirn-Schranke verfügt. Mithilfe dieses Modellsystems, bei dem die im Gehirn gebildeten Aβ-Peptide nicht mehr im ausreichenden Maße in die Blutbahn gelangen, konnten die Forscher beobachten, dass sich der Anteil von löslichen – und damit giftigen – Aβ-Peptiden im Gehirn erhöhte. Zudem stellten sie fest, dass sich die Zunahme an toxischen Aβ-Peptiden im Gehirn negativ auf die kognitiven Leistungen wie beispielsweise die Lern- und Erinnerungsfähigkeit des Tiermodells auswirkte. Originalpublikation: Endothelial LRP1 transports amyloid-β1-42 across the blood-brain barrier Steffen Storck et al.; Journal of Clinical Investigations, doi: 10.1172/JCI81108; 2015