Schlaganfallpatienten profitieren offenbar von einer deutlichen Senkung ihres LDL-Cholesterins. Eine Studie gibt den Richtwert hierfür jetzt mit unter 70 mg/dl an. Doch sie hat zwei Schwächen.
Eine Studie im New England Journal of Medicine zeigt jetzt, dass Schlaganfallpatienten von einer Senkung des LDL-Cholesterins auf unter 70 mg/dl profitierten. Da fast jeder fünfte Schlaganfallpatient binnen fünf Jahren mit einem Folgeschlaganfall rechnen muss, ist jede wirksame Maßnahme zur Risikoreduktion willkommen.
Doch wie tief soll man senken, gilt „the lower, the better?“ Nicht wirklich, denn letztlich fehlen Daten, welcher LDL-Cholesterin-Zielkorridor nach Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke (TIA) optimal ist.
Grundsätzlich gilt: Die Lipidsenkung ist eine wichtige Maßnahme, um ein Folgeereignis bei Patienten zu verhindern – neben der Blutdruckeinstellung und Beeinflussung der Gerinnung durch Plättchenfunktionshemmer oder orale Antikoagulantien. Die Lipidsenkung wird in der S3-Leitlinie „Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke“ der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) daher allen Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder TIA mit Empfehlungsgrad A und Evidenzebene Ia empfohlen.
Das angestrebte Ziel der Lipidsenkung war bislang relativ großzügig gehalten, in der Leitlinie ist nachzulesen: „Basierend auf den Ergebnissen kardiovaskulärer Studien sollte auch bei der Behandlung von Schlaganfallpatienten ein LDL-Cholesterinwert < 100 mg/dl (< 2,6 mmol/l) angestrebt werden.“ Da Evidenzen zu diesem Zeitpunkt fehlten, wird die Empfehlung mit „good clinical practice“ begründet.
Die aktuelle Studie zeigt, dass Patienten nach ischämischem Insult von einer Senkung des LDL-Cholesterins auf unter 70 mg/dl profitierten. Im Vergleich zur Studiengruppe, deren LDL-C-Werte auf 90-110 mg/dl gesenkt wurde, wiesen die Patienten der Niedrig-Cholesterin-Gruppe ein signifikant geringeres Risiko für nachfolgende kardiovaskuläre Ereignisse auf. Der primäre Studienendpunkt umfasste unter anderem ischämische Folge-Schlaganfälle, Myokardinfarkte und kardiovaskuläre Mortalität.
Die randomisierte Studie war an 61 Zentren in Frankreich und 16 Zentren in Südkorea durchgeführt worden. In beiden Studienarmen wurden jeweils 1.430 Patienten eingeschlossen, die in ihren Charakteristika sehr ähnlich waren. Der durchschnittliche LDL-Spiegel betrug in beiden Gruppen 135 mg/dl zu Studienbeginn.
Das Studienziel erreichten 121 Patienten der Niedrig-Cholesterin-Gruppe und 156 Patienten, bei denen eine moderatere LDL-C-Senkung auf 90-110 mg/dl erfolgt war. Die Patienten, die auf LDL-Werte unter 70 eingestellt wurden, profitierten also signifikant (8,5 % vs. 10,9 %; HR: 0,78, p = 0,04).
Das Einstellen auf die LDL-Zielwerte wurde durch die Gabe eines Statins erreicht, bei 33,8 % der Patienten der Niedrig-Cholesterin-Gruppe wurde zusätzlich auch der Cholesterol-Resorptions-Hemmer Ezetimib gegeben (vs. bei 5,9 % der Patienten, die auf die höheren LDL-Werte eingestellt worden waren).
Welche LDL-Spiegel ideal sind, muss aber noch weiter untersucht werden. Bei LDL-C-Werten unter 70 mg/dl zeigte die vorliegende Studie eine Risikoreduktion von 22 %, somit konnte jeder 5. Folgeschlaganfall verhindert werden. Zwar war das Risiko für Hirnblutungen in Folge in der Niedrig-Cholesterin-Gruppe numerisch erhöht (18 Fälle vs. 13 Fälle in der Vergleichsgruppe), aber nicht signifikant.
„Dass das Hirnblutungsrisiko unter der LDL-C-Senkung ansteigt, haben wir auch schon in anderen Studien gesehen. Wir können uns daher nicht unreflektiert der „the lower, the better“-Devise anschließen. Während beispielsweise die ESC/EAS-Fettstoffwechsel-Leitlinien bei Hochrisikopatienten mit Lipidstörungen sowohl zur Primär- als auch zur Sekundärprävention Werte < 55 mg/dl empfehlen, muss bedacht werden, dass eine solche radikale Senkung das Risiko für Hirnblutungen erhöhen kann und daher nicht einfach auf Schlaganfallpatienten übertragbar ist. Allerdings sollte die bisherige Empfehlung von 100 mg/dl in unserer S3-Leitlinie kritisch überdacht werden – eine Absenkung dieses Wertes auf 70 mg/dl ist vermutlich sinnvoll“, erklärt DGN-Generalsekretär Prof. Peter Berlit.
Eine formale Einschränkung der vorliegenden Studie sei jedoch, dass sie vorzeitig abgebrochen wurde. Eigentlich sollte die Studie laufen, bis 385 primäre Endpunkte erreicht werden, der Sponsor brach sie aber bereits nach 277 erreichten Endpunkten ab, weil die Studie ansonsten drei Jahre länger hätte finanziert werden müssen. „Eine weitere Schwäche war, dass sie mit nur etwa 200 TIA-Patienten in jedem Studienarm entsprechend wenig Aussagekraft für diese Patientengruppe hat“, so Prof. Diener. „Für eine definitive Festlegung des Grenzwertes sind weitere Studien erforderlich.“
Textquelle: Pressemitteilung der Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.
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