Viele Deutsche haben Angst vor gesundheitlichen Schäden durch Aluminium, erklärt das Bundesinstitut für Risikobewertung in einer Pressemeldung. Darin findet man Ratschläge, wie man die Aufnahme reduzieren kann. Wissenschaftliche Belege fehlen.
Im Zweifel zu Gunsten der Verbraucher – diese Regel gilt beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nicht immer. Erinnern wir uns an Glyphosat: Trotz gegenteiliger Einschätzungen der internationalen Krebsagentur IARC, sie sprach von „begrenzten Hinweisen“ auf eine krebserzeugende Wirkung beim Menschen und „ausreichenden Beweisen“ durch Tierexperimente, hielt das BfR entgegen: „Glyphosat ist bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung nicht krebserzeugend.“ Das Umweltbundesamt (UBA) hingegen sah „weiteren Forschungsbedarf“ und forderte mehr Daten. Umso mehr erstaunt, wie vorsichtig das BfR jetzt bei einem wissenschaftlich vergleichbar schlecht erforschten Thema, der Belastung durch Aluminiumsalze, Konsumenten ausdrücklich warnt.
Für einen Übersichtsbeitrag wurden diverse Quellen ausgewertet, um – je nach Altersgruppe – die Exposition zu quantifizieren. Als tolerierbare wöchentliche Menge (TWI-Wert) gilt laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit 1 mg Aluminium pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einer Frau mit 60 Kilogramm Körpergewicht wären das dementsprechend 8,6 mg Aluminium pro Tag. Den Abschätzungen zufolge wird die tolerierte Menge bei folgenden Personengruppen häufig überschritten:
Hier stellt sich die Frage, worin das gefürchtete Aluminium überhaupt enthalten ist. Wie im letzten Auflistungspunkt bereits erwähnt, macht der Verzehr von Lebensmitteln einen beachtlichen Teil aus. Das BfR gibt hierzu folgende Informationen:
Nach einer aktuellen Studie des BfR enthalten verzehrsfertige Lebensmittel durchschnittlich weniger als 5 Milligramm (mg) Aluminium pro Kilogramm (kg) Frischmasse. Höhere durchschnittliche Gehalte bis über 20 mg/kg Frischmasse weisen die Lebensmittelgruppen „Hülsenfrüchte, Nüsse, Ölsaaten und Gewürze“ und „Zucker, Süßwaren und wasserbasierte Desserts“ auf. Die Lebensmittelgruppen mit den höchsten Einzelbeiträgen sind Instant-Tee-Getränke (mit einem Anteil von 11 % an der Gesamtaufnahme aus Lebensmitteln), gemischte Rohkostsalate (8 %), Teegetränke (7 %) sowie Kakao- und Schokoladenerzeugnisse (6 %) sowie Mehrkornbrot bzw. -brötchen (4 %). Dennoch machen die genannten Lebensmittelgruppen in Summe nur 36 % der Gesamtaufnahmemenge aus. Die restlichen 64 % werden über eine Vielzahl verschiedener Lebensmittel aufgenommen.
Der Verbraucher wird aus so einer Beschreibung nicht schlau. Höchstens macht er sich darüber Sorgen, zu viel Tee zu trinken oder zu häufig Salat zu essen. Über die Sinnhaftigkeit solcher vagen Auflistungen lässt sich diskutieren.
Neu an der Zusammenstellung ist, dass besonders stark exponierte Personengruppen identifiziert worden sind. Allein mit den Vermeidungsstrategien ist das so eine Sache. Das BfR rät beispielsweise, Säuglinge bis zum sechsten Monat nur zu stillen und anschließend auf normale Kost umzustellen. Was, wenn das medizinisch nicht möglich ist? Die Frage bleibt offen. In der gleichen Altersgruppe tragen Vakzine über Adjuvanzien ebenfalls zur Belastung bei. Dass Impfungen sinnvoll sind, bestreitet niemand. Schon vor mehreren Jahren hatte das Paul-Ehrlich-Institut Entwarnung für Aluminium in Impfstoffen gegeben.
Fertiggerichte in Aluminiumverpackungen lassen sich gerade noch vermeiden. Aber bei Lebensmitteln wie den oben genannten oder auch bei Deodorants wird die Sache schon schwieriger. Mittlerweile haben Firmen Produkte ohne Aluminiumsalze entwickelt, doch die Mehrzahl aller Produkte enthält immer noch den umstrittenen Zusatzstoff. Der BfR-Rat lautet, „sparsam mit aluminiumhaltigen Antitranspirantien und aluminiumhaltigen Zahnpasten“ umzugehen“. Außerdem solle man sich „abwechslungsreich ernähren sowie Produkte und Marken wechseln“, um den Eintrag über die Nahrung zu minimieren.
Diese Warnungen erstaunen vor dem Hintergrund, dass man über chronische Effekte durch die langfristige Aufnahme geringer Mengen Aluminium kaum etwas weiß.
Die Zusammenstellung zeigt: Es gibt mögliche Hinweise, aber keineswegs Beweise, dass Aluminium bei niedriger, langfristiger Exposition zu gesundheitlichen Schäden führt. In einer Pressemeldung schreibt das BfR: „Reduzierung der Aluminiumaufnahme kann mögliche Gesundheitsrisiken minimieren“. Das ist lobenswert; „primum non nocere“ („erstens nicht schaden“) gilt eben auch für die Toxikologie.
Die mehr oder minder praktikablen Ratschläge beschränken sich jedoch auf Konsumenten. Es überrascht, dass das BfR die Verantwortung alleinig auf die Konsumenten und nicht etwa auf Hersteller abwälzt. Für Kosmetikprodukte und Convenience-Lebensmittel gibt es Alternativen. Hersteller müssten daher in die Pflicht genommen werden, Aluminium aus solchen Produkten zu verbannen. Aluminiumhydroxid als Adjuvans in Impfstoffen lässt sich aufgrund fehlender Alternativen kaum ersetzen. Aber auch dieses Thema könnten Forscher bearbeiten.
Bildquelle: Vinicius Amano, unsplash