Im Gegensatz zu den bekannten schädigenden Effekten von oxidativem Stress kann die richtige Dosis von freien Radikalen die Gefäße schützen. Die Aktivierung von körpereigenen protektiven Sauerstoffradikalen könnte eine neue Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellen.
Ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist der sogenannte oxidative Stress. Darunter versteht man ein Übermaß an reaktiven Sauerstoffverbindungen, das die Reparatur- und Entgiftungsfunktion einer Zelle überfordert und langfristig zu Schädigungen führen kann. Freie Radikale führen jedoch nicht in jedem Fall zu einer Schädigung der Gefäße, sondern können diese sogar schützen. Die Dosis entscheidet, welche Wirkung von den reaktiven Sauerstoffverbindungen ausgeht. Zu den freien Radikalen zählt auch das Wasserstoffperoxid (H2O2). In hohen Konzentrationen ist es für die Blutgefäße schädlich, während es in niedrigen Konzentrationen gefäßschützend zu wirken scheint. Unter der Leitung von Professor Dr. Henning Morawietz von dem Bereich Gefäßendothel/Mikrozirkulation der Medizinischen Klinik und Poliklinik III des Uniklinikums Dresden wiesen die Forscher Heike Langbein und Dr. Coy Brunßen nach, dass bei Übergewicht der Verlust der wichtigsten natürlichen Quelle von Wasserstoffperoxid in der Gefäßwand, der NADPH-Oxidase Nox4, zu verschlechterter Gefäßfunktion und vermehrter Arteriosklerose führt. Das könnte auch eine Erklärung sein, warum die meisten Studien mit synthetischen Vitaminen bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen kaum positive Wirkungen gezeigt haben. Die histologische Färbung der Aortenwurzel zeigt rechts die verstärkte Plaquebildung ohne Nox4. © Uniklinikum Dresden
Innovativ bei diesem Projekt war die Entwicklung von Geräten zur berührungslosen Untersuchung von Gefäßen durch optische Kohärenztomografie im Labor von Prof. Dr. Edmund Koch, Bereich Klinisches Sensoring und Monitoring, sowie ihre Nutzung als neues bildgebendes Verfahren zur Analyse der Funktion von Blutgefäßen. Hierbei wurde deutlich, dass der Verlust von Nox4 zu verschlechterter Gefäßfunktion führt. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass Wasserstoffperoxid in niedrigen Konzentrationen den Blutdruck senken kann. Im Gegensatz zu den bisher bekannten schädigenden Effekten von oxidativem Stress könnte die Aktivierung von körpereigenen protektiven Sauerstoffradikalen eine neue therapeutische Strategie zur Behandlung von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellen. Bis diese Erkenntnisse in die therapeutische Praxis umgesetzt werden, müssen jedoch noch weitere Untersuchungen folgen. Originalpublikation: NADPH oxidase 4 protects against development of endothelial dysfunction and atherosclerosis in LDL receptor deficient mice Heike Langbein et al.; European Heart Journal; doi: 10.1093/eurheartj/ehv564; 2015