Bei einigen Familien treten bipolare Störungen gehäuft auf. Eine Studie zu den Ursachen der Erkrankung liefert jetzt neue Hinweise auf Risiko-Varianten bestimmter Gene.
Bipolare affektive Störungen, auch manisch-depressive Störungen genannt, sind schon seit der Antike bekannt. Sie gehören laut Weltgesundheitsorganisation zu den Krankheiten, die weltweit am meisten zu dauerhafter Beeinträchtigung führen. Betroffene weisen auch ein erhöhtes Suizidrisiko auf.
Das Lebenszeitrisiko, an einer bipolaren Störung zu erkranken, liegt in der Allgemeinbevölkerung bei circa ein Prozent. Es gibt allerdings auch Familien, bei denen die Erkrankung über Generationen hinweg stark gehäuft auftritt. Hier wurde bislang immer vermutet, dass einzelne Mutationen mit einer großen Effektstärke für die Erkrankung verantwortlich sind.
Forscher des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim haben nun gemeinsam mit weiteren Experten aus Deutschland und Europa eine Studie zu den genetischen Ursachen der bipolaren Störung in betroffenen Familien durchgeführt. Sie fanden heraus, dass auch in Familien, bei denen über mehrere Generationen hinweg sehr viele Familienmitglieder von der Erkrankung betroffen sind, häufig vorkommende genetische Risiko-Varianten eine wichtige Rolle spielen.
Selbst in solch mehrfach betroffenen Familien haben also auch die genetischen Varianten, die grundsätzlich jeder Mensch in sich trägt, einen deutlichen Einfluss auf das Krankheitsrisiko. Dies steht im Gegensatz zur früheren Annahme, dass in betroffenen Familien seltene Genmutationen als Hauptrisikofaktoren für eine bipolare Erkrankung gelten.
„Wir hatten schon seit längerem vermutet, dass die häufigen Varianten eine wesentliche Rolle spielen, nachdem wir vor einigen Jahren erstmals bei einigen wenigen betroffenen Familienmitgliedern eine Häufung solcher Risikovarianten beobachtet hatten“ sagt Prof. Marcella Rietschel, Wissenschaftliche Direktorin und Leiterin der Abteilung Genetische Epidemiologie in der Psychiatrie am ZI.
Nun konnten die Forscher bei der systematischen Untersuchung zeigen, dass sich Risikovarianten in den betroffenen und nicht betroffenen Mitgliedern aus über 30 mehrfach betroffenen Familien ansammelten. Selbst die nicht betroffenen Familienmitglieder wiesen im Vergleich zu unverwandten Gesunden eine erhöhte Anzahl häufiger Risikovarianten auf. Die betroffenen Familienmitglieder zeigten die höchsten Risikowerte, die die durchschnittlichen Risikowerte in einer unabhängigen Gruppe von unverwandten Personen mit einer bipolaren Störung deutlich übertrafen.
„Unsere ursprüngliche Erwartung in diesen hoch belasteten Familien relativ einfach einige wenige kausale Krankheitsmutationen zu finden, hat sich so leider nicht erfüllt. Auch wenn es möglich ist, dass eine Ballung von vielen kleinen Risikovarianten das Krankheitsrisiko erklärt, kann trotzdem nicht ausgeschlossen werden, dass auch seltenere Varianten mit größeren Effekten in diesen Familien eine Rolle spielen. Nach diesen werden wir weiterhin suchen“, erklärt Rietschel.
„Außerdem interessiert uns nun, welche Faktoren solche Familienmitglieder gesund halten, die trotz einer hohen Belastung an Risikovarianten nicht erkrankten und umgekehrt“, so Dr. Fabian Streit, Mitarbeiter in der Abteilung für Genetische Epidemiologie in der Psychiatrie am ZI.
Textquelle: Pressemitteilung des Zentralinstituts für Seelische GesundheitBildquelle: Sandy Millar, Unsplash