Die dreidimensionale Struktur vieler Proteine lässt sich nicht genau bestimmen. Diese sogenannten „dunklen Proteine“ machen knapp die Hälfte des menschlichen Proteoms aus. Analysen könnten weitere Moleküle finden, die eine Schlüsselrolle für die Gesundheit des Menschen spielen.
15 Prozent der Masse eines durchschnittlichen Menschen bestehen aus Proteinen. Ihre dreidimensionale Struktur ist entscheidend für die Funktion dieser Proteine. Doch es existieren Proteine, die sich vollständig oder in bestimmten Bereichen von jeder bisher experimentell nachgewiesenen Struktur unterscheiden. Ihre Struktur kann daher nicht modelliert werden. Forscher fassen diese Proteine und Bausteine unter dem Begriff „dunkle Proteine“ und in der Gesamtheit als „dunkles Proteom“ zusammen, in Anlehnung an die dunkle Materie im Weltall. Bisher war unter anderem noch nicht bekannt, wie viele der Proteine zum dunklen Proteom gehören. Gemeinsam mit der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) in Sydney und der Universität Lissabon hat Andrea Schafferhans vom Lehrstuhl für Bioinformatik der TUM die Eigenschaften des „dunklen Proteoms“ untersucht. Aus verschiedenen Datenbanken filterten die Wissenschaftler dazu Informationen, brachten sie in Verbindung miteinander und werteten die Daten aus. Die Datenbank „Aquaria“ spielte dabei eine wichtige Rolle. Die Webseite ging Anfang 2015 online und bietet allen Forschern die Möglichkeit, sich die 3D-Struktur von Proteinsequenzen berechnen zu lassen. Dabei greift die Datenbank auf bereits vorhandene Strukturen zurück und erstellt das wahrscheinlichste Modell. Mithilfe der Webseite konnten die Forscher erkennen, welche Protein-Strukturen tatsächlich „dunkel“ sind.
Das Ergebnis: Die Hälfte des Proteoms aller Lebewesen, deren Zellen einen Zellkern besitzen, gehört zum „dunklen Proteom“. „Davon wiederum ist knapp die Hälfte strukturell völlig unbekannt“, sagt Schafferhans. Außerdem konnten die Forscher folgende Eigenschaften bestimmen: Die meisten der „dunklen Proteine“ sind kurz, haben nur wenige Interaktionen mit anderen Proteinen, werden häufig ausgeschieden und besitzen nur wenige evolutionäre Verwandte.
Weiterhin stellten die Wissenschaftler fest, dass einige der bisherigen Annahmen über die „dunklen Proteine" falsch waren. So gehören sie mehrheitlich nicht zu den ungeordneten Proteinen. Letztere nehmen erst ihre eigentliche Struktur an, wenn sie eine Funktion erfüllen. In der restlichen Zeit liegen sie in einer anderen Form vor. Auch handelt es sich bei den „dunklen Proteinen“ größtenteils um Proteine, die sich nicht in einer Membran befinden. Beide Punkte waren bislang Erklärungen dafür, dass die „dunklen Proteine“ schwer strukturell bestimmbar sind. Die Ergebnisse liefern eine Grundlage, um die geheimnisvollen Eiweißmoleküle in Zukunft besser analysieren zu können. Die Forscher wollen außerdem das „dunkle Proteom“ mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Es könnten dort Proteine zu finden sein, die eine Schlüsselrolle für die Gesundheit des Menschen spielen. Originalpublikation: Unexpected features of the dark proteome Nelson Perdigãoa et al.; PNAS; doi: 10.1073/pnas.1508380112; 2015