Sind Zuckeralternativen wie Kokosblütenzucker oder Stevia die bessere Wahl? Verwirrung herrscht hier nicht nur bei Diabetes-Patienten, sondern auch in der breiten Bevölkerung. Ein Kommentar von Diabetologe Dirk Hochlenert.
Artikel von Dirk Hochlenert
Das Angebot vermeintlich gesunder Zuckersorten ist riesig – und verwirrend. Viele meiner Patienten verwechseln schon Süß- und Zuckerersatzstoffe. Sie verwenden die Begriffe oft so, als ob es sich um unterschiedliche Wörter für die gleiche Sache handeln würde.
Für Menschen mit Diabetes ist das problematisch. Denn Kalorien sparen gelingt erst mal nur mit Süßstoffen, nicht aber mit Zuckerersatzstoffen – die haben oft den gleichen Brennwert wie normaler Zucker und geben sich nur einen gesunden Anstrich. Dadurch entsteht beim Patienten der Eindruck, er habe damit eine bessere Alternative vor sich.
Wenn ich nun erkläre, dass dem nicht so ist, kann das nur der Einstieg in eine umfassendere Schulung sein. Eine einzelne Information bleibt nicht hängen – die Werbung ist hier zu hartnäckig, die Überzeugung der Nachbarn ebenso. Der Diabetologe ist eben nur eine von vielen Informationsquellen, die die Meinungsbildung über Zuckerersatz und Süßstoffe beeinflussen. Der Unterschied ist einfach zu vielen Menschen nicht klar und meine Erklärung wird zu schnell vergessen.
Das Problem ist hier die Macht der Gewohnheit. Denn Gewohnheiten lassen sich leider nur schwer ändern, auch wenn genau das der Trick wäre. Man muss sich dabei sicher von der Allgegenwärtigkeit des Zuckers lösen. Und das ist für viele Patienten gar nicht so leicht.
Dabei scheint es doch ganz einfach: Wenn man weniger nascht, ist eine Süßigkeit doch besonders lecker. Man darf den Zucker einfach nicht überall drin haben – im Müsli, im Kaffee, im Kuchen. Wenn man den Zuckergenuss auf ausgewählte Situationen beschränkt, schmeckt das Stück Schokolade wie ein Stück vom Himmel.
Um den Zuckerkonsum zu reduzieren, greifen viele zu Light-Produkten, die es mittlerweile für unzählige Lebensmittel zu kaufen gibt. Der Begriff ist aber nicht geschützt, das Produkt kann irgendwas beinhalten. Und: Dieser vermeintliche Übergang zu einem zuckerärmeren Leben ist in den meisten Fällen eine gefährliche Falle. Zuckerersatz und Süßstoffe als Brücke zur Umstellung sind zu kompliziert und mechanisch gedacht. Denn der Patient hat dann zweimal den Schmerz: Einmal muss er sich vom geliebten Originalprodukt trennen und dann noch von der Light-Variante, an die er sich gerade gewöhnt hat. Statt des Umwegs über Alternativen sollte man also lieber direkt auf eine möglichst ungesüßte Ernährung umstellen.
Bei all den vermeintlich gesunden Zuckeralternativen – Kokosblüten- und Birkenzucker (Xylit), Stevia und was es nicht noch alles gibt – muss man sich bewusst machen, dass sie als Endprodukt zumeist nicht mehr rein pflanzlich sind. Sie werden als natürlich und gesund beworben, aber nichts davon stimmt. Und wie eingangs erwähnt ist es bei vielen Zuckeralternativen so, dass sie einen ähnlich hohen Brennwert haben wie der weiße raffinierte Rübenzucker. Man verbindet damit nur einfach etwas gesünderes, wozu auch die manipulative Namensgebung beiträgt.
Bei Stevia verhält es sich anders: Der Brennwert ist extrem niedrig, dafür wird die Süße von vielen als wenig befriedigend empfunden. Wie anderen Süßstoffen fehlt auch Stevia die mechanischen Eigenschaften des Zuckers, was das Backen damit sehr schwierig macht. Irgendeinen Haken gibt es bei den beworbenen Zuckeralternativen eben immer.
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