Das Schamroth-Fenster soll Auskunft darüber geben, ob schwere pulmonale Erkrankungen wie ein Bronchialkarzinom vorliegen. Die DocCheck News haben beim Pneumologen Dr. Hermann Teutemacher nachgehakt.
Vor einigen Tagen geisterte die Meldung durchs Internet, dass ein simpler Fingertest, das sogenannte Schamroth-Fenster, Aussagekraft zum Krankheitsrisiko für Lungenkrebs habe. Wir haben den Pneumologen Dr. Hermann Teutemacher um eine Einschätzung gebeten. Hier seine Antwort:
„Es gibt zwei klinische Zeichen der generalisierten Sauerstoffnot des Gewebes, die sich an den Fingern (oder Zehen) zeigen.
Das eine sind die Uhrglasnägel, wo der Nagel nicht gerade entlang des Fingers Richtung Fingerkuppe verläuft und nur seitlich rund ist, sondern auch nach vorne – und daher gewölbt ist und aussieht wie ein Uhrglas.
Daneben gibt es ein noch etwas selteneres Zeichen für Sauerstoffnot des Gewebes, die durch verschiedene Herz- und Lungenerkrankungen verursacht werden kann. Das sind die Trommelschlegelfinger.
Dabei sind die Endglieder der Finger (oder seltener der Zehen) gegenüber dem Querschnitt des Fingers aufgetrieben – wie das Ende eines Trommelschlegels.
Bildquelle: Dr. Thomas Rath, Medizinwelten
Meist treten beide Symptome gleichzeitig auf, oft aber auch die Uhrglasnägel alleine.
Das lernt jeder Medizinstudent im 5. Semester. Die Meldung suggeriert so ein bisschen, dass der Blick auf die Finger zu Diagnostik von Lungenkrebs taugt und das ist völliger Schwachsinn.
Ich habe viele schwer an Lungenerkrankungen erkrankte Menschen gesehenen und betreut. Viele davon wiesen auch Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel auf, aber kein einziger davon hatte Lungenkrebs.
Das ist auch logisch, weil Lungenkrebs ein sehr lokales Krankheitsgeschehen ist – eben dort, wo der Tumor sitzt. Daher führt es auch in aller Regel nicht zu einer Beeinträchtigung der Sauerstoffversorgung des übrigen Körpers, außer in Endstadien.
Die hinter der Meldung steckende Information ist also ein uraltes Faktum, das niemanden vom Hocker reißen dürfte. Das, was die Meldung daraus an Neuigkeit und Wert für die Diagnostik eines Lungenkrebses konstruiert hat, ist nach meiner Einschätzung weit hergeholt und unrealistisch.“
Bildquelle: Héctor J. Rivas, unsplash