Stress, Nikotin, zu wenig Bewegung: Nicht jeder Mann läuft im Bett zur Höchstform auf. Bei der leitliniengerechten Therapie erektiler Dysfunktionen spielen Arzneistoffe die zentrale Rolle. Apotheker warnen vor Phytopharmaka aus dubiosen Quellen.
Eine erektile Dysfunktion (ED) hat viele Gesichter. Berichten Männer im Beratungsgespräch über Kondom-assoziierte Erektionsschwächen (KAES), lohnt es sich, genauer nachzufragen. Das zeigen aktuelle Veröffentlichungen des Kinsey Institute for Research in Sex, Gender, and Reproduction der Indiana University in Bloomington.
Stephanie A. Sanders wollte wissen, ob Kondom-assoziierte Erektionsschwächen (KAES) mit ED in Verbindung stehen. Sie befragte 479 Männer im Alter von 18 bis 24 Jahren nach ihren Erfahrungen. Rund 38,4 Prozent hatten keine KAES. Weitere 13,8 Prozent berichteten vom gelegentlichen Erektionsverlust beim Anlegen des Präservativs, und 15,7 Prozent hatten beim Geschlechtsverkehr damit zu kämpfen. Beide Situationen kannten 32,2 Prozent aller Interviewten. Im nächsten Schritt setzen Forscher den International Index of Erectile Function (IIEF-5)-Fragebogen ein. Ihr Ergebnis: 8,7 Prozent aller Männer ohne KAES hatten eine erektile Dysfunktion. In der Gruppe mit Problemen beim Überziehen waren es 18,2 Prozent, und in der Gruppe mit Verkehrsstörungen sogar 22,7 Prozent. Traten beide Ereignisse kombiniert auf, lag die ED-Quote sogar bei 31,8 Prozent. Die Autoren sprechen spekulativ nicht nur von körperlichen, sondern auch von emotionalen Gründen: Wer bereits Misserfolge bei seiner Standfestigkeit hatte, wird anfälliger für eine ED.
Betroffenen bleibt im Zweifel nur der Arztbesuch. Health Professionals suchen nach Vorerkrankungen – optimale HbA1c-, Lipid- und Blutdruckwerte verbessern auch die Fähigkeit zur Erektion. Wer regelmäßig läuft, tut seiner Manneskraft ebenfalls viel Gutes. Helfen Lebensstilinterventionen nichts, bleiben noch Arzneistoffe. „Seit der Einführung der Phosphodiesterase-5-Hemmer wird häufig vor der Diagnostik ein Therapieversuch durchgeführt“, heißt es in der Leitlinie „Erektile Dysfunktion: Diagnostik und Therapie“. Bei Urologen gelten Avanafil, Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil als Mittel der Wahl. Sie setzen vasoaktive Substanzen wie das Prostaglandin E1 (PGE1) nur noch selten ein.
Die Medikation nach Bedarf erfordert von Patienten viel Planung. Sie hält altersbedingte Degenerationen des Schwellkörpers nicht auf. Grund genug für Ärzte, PDE-5-Hemmer dauerhaft einzusetzen. Dazu nehmen Männer immer abends eine geringe Menge ein, meist ein Viertel der Normaldosis. Während der REM-Schlafphasen kommt es zu Erektionen, was ihren Schwellkörper trainiert. In einer randomisierten Studie kam es bei einer täglichen Gabe von Tadalafil zu signifikant höheren IIEF-Scores, verglichen mit der On-demand-Medikation.
Dem stehen nicht nur bekannte Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schwellungen der Nasenschleimhäute, Dyspepsien und Flush gegenüber. Bei Anwendern von PDE-5-Inhibitoren treten Melanome statistisch häufiger auf, berichtet Stacy Loeb aus New York. Sie untersuchte Daten von 4.065 Männern mit Hautkrebs-Diagnose zwischen 2006 und 2012. Von ihnen nahmen 435 (11 Prozent) PDE-5-Hemmer ein. In einer Kontrollgruppe mit 20.325 Probanden ohne Melanom griffen nur 1.713 (8 Prozent) zum Arzneistoff. Molekularbiologisch scheint der Zusammenhang zwar schlüssig zu sein. Mutationen im BRAF-Gen führen zu niedrigeren Spiegeln an Phosphodiesterase-5 und erhöhen die Invasivität von Melanomzellen. Loeb fand allerdings keine Dosis-Wirkungs-Beziehung. Lang oder kurz wirksame Arzneistoffe unterschieden sich im Risiko ebenfalls nicht voneinander. Außerdem korrelierte die Medikation nur mit frühen Melanomstadien. Deshalb spekuliert die Autorin, ihre Befunde ließen sich eher mit dem Lebensstil als mit der Medikation in Verbindung bringen.
Trotzdem wünschen sich viele Männer mit ED pflanzliche, vermeintlich harmlose Präparate. In einer Übersichtsarbeit hat Dr. Tao Cui aus Winston-Salem (North Carolina) jetzt verschiedene Inhaltsstoffe natürlicher Potenzmittelchen kritisch beleuchtet.
Die bittere Nachricht: Tao Cui fand in 80 Prozent aller untersuchten Präparate synthetische PDE-5-Hemmer. Selbst Hersteller scheinen keine allzu großen Stücke auf Kräuter oder Wurzeln zu halten. In Deutschland sind viele der untersuchten Präparate nicht verkehrsfähig. Sie gelangen über US-Versandapotheken aber zunehmend nach Europa. Apothekern bleibt nur, Kunden mit ED vor übertriebenen Erwartungen zu warnen. Schwere Formen lassen sich nicht mit Phytopharmaka behandeln.