Der Gemeinsame Bundesauschuss entscheidet, welche medizinischen Leistungen von den gesetzlichen Versicherungen übernommen werden. Hat der G-BA dadurch zu viel Macht? Das wurde überprüft. Aber warum hält das Bundesministerium für Gesundheit die Gutachten zurück?
Die Entscheidungsgewalt des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wurde schon oft infrage gestellt, vor einigen Jahren auch durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Um die Zweifel an der mächtigen Position des G-BA zu klären, hatte das Bundesgesundheitsministerium (BGM) in der vergangenen Legislaturperiode drei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, bei denen völlig offen blieb, wann sie veröffentlicht werden sollten. Als die FDP in einer Kleinen Anfrage nachhakte, stellte sich heraus, dass die Gutachten längst vorliegen.
„Dem Bundesgesundheitsministerium (BGM) liegen seit Monaten die Gutachten vor, doch sie werden nicht herausgegeben“, sagt Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der Freien Demokratischen Partei (FDP). „Das sehen wir aus Gründen der Transparenz negativ. Es kann nicht sein, dass die Informationen zurückgehalten werden.“ Bereits 2015 wurde am Standing des G-BA gerüttelt und in Frage gestellt, ob der Ausschuss tatsächlich darüber entscheiden sollte, welche medizinischen Therapien erstattet werden. Damals ging der Fall einer chronisch kranken Frau durch die Presse, die auf die Erstattung eines Medizinprodukts durch ihre Krankenkasse klagte. Sie legte Verfassungsbeschwerde ein: Aus ihrer Sicht fehlte dem G-BA die demokratische Legitimation bei der Ausgestaltung der Leistungsansprüche der Versicherten.
Die Karlsruher Richter vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) lehnten in ihrem Urteil die Beschwerde zwar aus formalen Gründen ab, ließen die Frage nach der demokratischen Legitimation aber offen. Auch der damalige Vorsitzende des zuständigen Ersten Senats, Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof, äußerte öffentlich erhebliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimation des G-BA. Andrew Ullmann, Facharzt für Innere Medizin und Obmann im Gesundheitsausschuss der FDP, ist der Meinung, dass dem Ausschuss als Exekutive nicht zu viel Spielraum gelassen werden dürfe. Andrew Ullmann „Ein Verbund aus Akteuren der Ärzteschaft, der Zahnärzte, der Krankenhäuser und der gesetzlichen Krankenversicherungen trifft Entscheidungen über die Leistungen, die gesetzlich versicherte Menschen in Deutschland erhalten“, sagt Ullmann. „Das sind ungefähr 70 Millionen Menschen.“ Diese Richtlinien sind zwar keine Gesetze, sind aber rechtlich bindend und gelten sowohl für Krankenhäuser als auch für Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten.
Diese derart große Machtfülle hat immer wieder zu Kritik geführt, so stellt sich immer wieder auch die Frage nach der Zusammensetzung des Gremiums. Die drei vom BGM in Auftrag gegebenen Gutachten sollten nun die rechtliche Legitimation des G-BA prüfen, dessen Kompetenzen im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) festgeschrieben sind, sagt Aschenberg-Dugnus: „Der Ausschuss hat viele Kompetenzen, die durch das Bundesverfassungsgericht infrage gestellt worden sind.“ Irritierend auch: Bereits 2015 wurde einer der drei jetzt beauftragten Gutachter vom G-BA selbst angewiesen, den Sachverhalt zu prüfen, sagt Ullmann. „Er kam zu dem Urteil, es gebe keine Legitimationsdefizite beim G-BA.“ Diesen habe man nun erneut befragt, sagt der FDP-Politiker: „Dazu wurden noch zwei andere Professoren beauftragt, um die Breite in der Rechtslehre abbilden zu können. Ich gehe davon aus, dass der Gutachter, der schon damals gesagt hatte, es sei alles in Ordnung, wieder zu dem gleichen Schluss kommen wird. Was die anderen beiden Gutachter sagen, wissen wir nicht.“ Christine Aschenberg-Dugnus Die Kleine Anfrage der Partei hat nun ergeben, dass die Gutachten dem BGM bereits seit Dezember 2017 vollständig vorliegen. Daraufhin habe die FDP nun einen Antrag direkt an den Bundestag gestellt. Er möge beschließen, dass die Gutachten herausgegeben würden. „Der GBA ist nicht der BND, es geht nicht um geheime Interessen. Aber wenn man so mauert, steht zu vermuten, dass etwas im Busch ist. Möglicherweise lassen die Gutachten Raum für die Annahme, dass einige der Ermächtigungsgrundlagen aus dem SGB V eben nicht ausreichen“, sagt Ullmann. Mitte März habe jetzt auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, eine schriftliche Anfrage gestellt und konkret gefragt, wann diese Gutachten veröffentlicht würden, sagt Ullmann. „Die Bundesregierung hat mit dem Satz geantwortet: ‚wir prüfen‘.“ Eine ähnlich vage Antwort bekam DocCheck auf eine Anfrage beim Bundesgesundheitsministerium: „Die G-BA-Gutachten liegen dem BMG vor, die Bundesregierung prüft die in den Gutachten behandelten Fragestellungen eingehend und wird weiterführende Entscheidungen vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Prüfung treffen.“ Aha. Damit bleiben ja keine Fragen mehr offen.